Kurt Ostbahn - Platzangst
viel Lust und und Freude bereiten mag, sondern der Zustand von Madame Vicki’s (?) Opfer, das Brunner nach einem kurzen vergleichenden Blick in seine Unterlagen sofort als die seit November letzten Jahres vermißte Ioana Antonescu, 27, identifiziert hat. Die rumänische Tänzerin hängt von Beginn der trostlosen Vorstellung an regungslos in den Seilen und reagiert auf die schmerzhaften Klammem, Gewichte und das heiße Kerzenwachs bestenfalls mit einem müden Flattern der Augenlider. Vollkommen dicht, zu, vollgeknallt.
Das sage ich auch meinen ermittelnden Kollegen, ehe ich unaufgefordert und freiwillig den kleinen Hund aus Doktor Trash’s Badezimmer befreie, um mit ihm zu mindestens einer Runde um den Häuserblock aufzubrechen.
Als wir zirka dreizehn Runden später wiederkommen, will der kleine Hund nur noch schlafen, und auch die Kollegen machen einen ziemlich bettschweren und mitgenommenen Eindruck.
„Ohne jetzt pietätlos wirken zu wollen“, sagt der Doc und kippt seinen Tequila, „aber das war kein Snuff-Video. Das war ein schlecht abgefilmter Betriebsunfall.“
„Wachs- und Nadelspiele haben noch keinen umgebracht“, ergänzt Brunner. „Aber eine Überdosis schon.“
Der blasse Schatten des Trainers kommentiert das Gesehene erst gar nicht, sondern erkundigt sich mit dünner Stimme nach dem Befinden seines Adoptivkindes.
„Der Che büselt nach dem Marsch um die Häuser wie ein Murmeltier“, sage ich.
„Wenigstens einer von uns, der nach dieser Vorstellung ruhig schlafen kann“, meint Brunner und hält dem Doc sein leeres Schnapsglas hin.
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Hasenöhrl Junior und sein Team reiten pünktlich um acht Uhr ein, und wer das Zwölferhaus zu diesem Zeitpunkt noch nicht verlassen hat, zum Beispiel um zur Arbeit zu fahren, bereut das spätestens zehn Minuten später bitterlich.
Die drei Professionisten und ihr auch heute wieder in teures dunkles Tuch gehüllter Anführer haben nämlich nicht nur vor, eine Badewanne, eine Toilettanlage und ein Waschbecken zu installieren, sondern auch gleich sämtliche branchenüblichen Dezibel-Rekorde zu brechen. Kaum haben sie ihr Werkzeug ausgepackt, verwandeln sie das Zwölferhaus in ein Tollhaus, in dem nur noch Mark erschütterndes und Nerven zerfetzendes Heulen, Dröhnen, Splittern und Bohren regieren.
Ich rechne minütlich mit dem Eintreffen der Funkstreife und würde mich gleich als erster freiwillig evakuieren lassen.
Hasenöhrl Junior aber steht wie ein Feldherr mitten auf der Baustelle und genießt sichtlich das akustische Gemetzel, das sein Team hier anrichtet.
Mir treiben der Lärm (und der letzte Nacht beim Doc genossene Tequila) den Schweiß aus allen Poren, und nachdem ich hier ohnehin nix zu melden habe, beschließe ich, auf das Angebot von Gitti Kaltenbeck zurückzukommen und mich einen Stock tiefer mit einer heißen Dusche zu verwöhnen.
In meinem amerikanischen Küchentraum dröhnt es nur unwesentlich leiser, aber er ist deutlich besser beheizt und ausnahmsweise halbwegs aufgeräumt. Gitti Kaltenbeck hat ihre Wohnung nicht Hals über Kopf verlassen und vor Antritt der Flucht zu ihrer Schwester sogar noch Zeit gefunden, mir eine Grußbotschaft zu hinterlassen. Auf dem Küchentisch liegt einer ihrer Versandkataloge, aufgeschlagen bei der Abteilung für Reizwäsche, und daneben eine handschriftliche Botschaft:
Best. Nr. 120047 oder Best. Nr. 120049?
Ich denke an Dich,
Gitti
Und wieder steh ich vor der Qual der Wahl: das Korsett aus schwarzem Lack oder das Modell in Spitze mit den roten Rüschen? Und wieder frag ich mich, ob das mit der gegenseitigen Nachbarschaftshilfe wirklich eine so gute Idee gewesen ist. Im trüben Licht des Tages betrachtet, und ohne Kaffee im Magen, würde ich sagen: Frau, gebunden, und Mann, vereinsamt, treffen in einer Zeit der Dürre, nach langer erotischer Trockenperiode aufeinander, bringen die Dinge zum Schwingen, die Quell en zum Sprudeln. Die Wüste lebt. Erogenes Training. Sinnesfreuden nach Herzenslust. Aber nicht mehr. Kein Warten, Hoffen, Hirnen. Keine Versprechen, Schwüre, Investitionen in die Zukunft. Kein Lackkorsett und auch keines mit roten Rüschen.
Das werden wir besprechen müssen, die Gitti Kaltenbeck und ich. In aller Ruhe. Sage ich mir und steige in die Duschkabine. Und es ist wie beim ersten Mal. Die Lebensgeister regen sich, strecken und recken sich, obwohl da niemand ist, der mir den Rücken einseift und heute auch niemand, der mich am Palmenstrand mit einem Achtel Rot erwartet. Ich dreh die
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