Kurt Ostbahn - Platzangst
und lacht.
Der Anruf beim Doc verläuft dann auch ohne allzuviele Herzlichkeiten. Der Doc, mit Computerproblemen überlastet, reicht mich gleich weiter an Brunner, der (möglicherweise aus privaten Gründen) ziemlich schroff auf meinen Bericht über das entmutigende Zusammentreffen mit dem Trainer reagiert. Es ist von Dilletantismus die Rede, von grober Fahrlässigkeit und davon, daß ich durch meine Vorgehensweise eine höchst vielversprechende Aktion (Operation Savoy 2) in den Sand gesetzt habe.
„Okay“, sage ich, auch schon leicht grantig, weil mich die Überreaktion des Trainers weit mehr beschäftigt, als die zwei Kriminalprofessionisten vielleicht annehmen. „Also wer geht jetzt morgen mit einem kleinen Hund ins Savoy , wenn der Trainer um die Burg nicht will und zurück nach Teneriffa fliegt, weil ihm unsere Leichen hier zu viel sind?“
Brunner weiß darauf keine Antwort und reicht mich zurück an den Doc.
„Ich werd mit dem Trainer ein ernstes Wort reden“, sagt er. „Und du, Kurt, solltest dich vielleicht besser zurückziehen und ausspannen, bis wir uns wieder bei dir melden.“
„Großartig“, sage ich.
Gitti hat was von Leichen gehört und schlagartig das Interesse an ihren Versandhausdessous verloren.
„Was is da los, Kurtl?“ sagt sie, nachdem ich aufgelegt habe. „Was machst du da eigentlich für Sachen?“
„Ermitteln“, sage ich.
„Wie?“
„Wie man halt so ermittelt.“
„Du?!“
Sie schaut mich mit großen Augen an. Dann lacht sie schallend. Grad daß sie sich nicht vor Vergnügen auf die Schenkel klopft.
Gitti würde nicht so reagieren, wenn sie zuzüglich zu ihren Illustrierten und Versandkatalogen sagen wir ein Mal im Jahr ein gutes Buch lesen würde.
32
20 Uhr 43.
Ich hab noch zwei Minuten.
Dann werde ich das Savoy betreten, wie der Kurtl das Savoy betreten würde, wenn er mit Axel und Ronnie eine Verabredung zum Poolspielen hat, aber eine Viertelstunde zu früh dran ist.
Das alkoholische Motto an diesem Sonntagabend lautet: „Chin Gin“. Der Trainer und sein kleiner Hund sind vor acht Minuten in dem Billardtempel verschwunden, und beide haben sie nicht wirklich froh ausgesehen. Bier, Tequila oder Whiskey zum halben Preis hätten die Laune des Trainers vielleicht ein wenig heben können, aber nicht einmal da bin ich mir so sicher.
Als er mich nach einer dreistündigen Aussprache mit dem Doc in der Reindorfgasse abgeholt hat, war er schon deutlich blasser im Gesicht als gestern. Er sei nicht der richtige Mann für diesen Job, erklärte er mir während der Fahrt nach Hernals zirka hundertfünfzig Mal, und er mache bei dieser Operation nur mit, weil er das unserer alten Freundschaft schuldig wäre. Außerdem will er garnicht wissen, wo wir da hineingeraten könnten. Also eigentlich er und sein Hund. Denn der Doc wertet ja daheim in der warmen Stube neue Daten aus, Brunner hat sich den heutigen Abend aus familiären Gründen freigenommen, und ich hab die Order, mich diskret im Hintergrund zu halten und nur im äußersten Notfall einzugreifen, und zwar indem ich Brunner daheim bei seiner Krankenschwester anrufe.
Der Trainer und sein kleiner Hund müssen da also ganz alleine durch.
Während der Fahrt versuchte ich den Trainer zu beruhigen. Was aber fürwahr kein Leichtes ist, wenn man dabei permanent dem Tod ins Auge blickt. Denn seine Befürchtungen und Bedenken lenkten ihn dermaßen von seiner eigentlichen Aufgabe – nämlich dem Steuern seiner froschgrünen Rostlaube – ab, daß er während der fünfzehn Fahrminuten von der Reindorfgasse zum Savoy mindestens ein Dutzend lebensgefährliche Konfrontationen mit anderen Verkehrsteilnehmern provozierte. Und da war auch noch der kleine Hund, der nicht auf dem Rücksitz bleiben wollte, sondern nach jeder Notbremsung nach vom ans Steuer drängte. Aus Angst, nehm ich an, oder weil er dem Trainer zeigen wollte, wie man’s richtig macht.
20 Uhr 44.
Ich stehe vor dem Schaukasten des Savoy , täusche großes Interesse am hochprozentigen Wochenspielplan vor. Wäre heute Donnerstag, wie bei meinem letzten Besuch, würde ich mein flatterndes Nervenkostüm mit einem Diskont-Caipirinha verwöhnen. Weil heut aber Sonntag ist, werden es zwei Vollpreis-Caipirinhas werden.
Kaum habe ich diese wichtige Entscheidung getroffen, stürzt der Trainer aus dem Lokal, völlig aufgelöst und seinen kleinen Hund im Arm. Das Tier zittert und bebt und stößt ganz klägliche Laute aus.
„Vergiß es“, sagt der Trainer.
Herr, Hund
Weitere Kostenlose Bücher