Kurtisanen leben gefaehrlich
hatte.
»Die schwarzen Artiste? Ich habe diesen Begriff noch nie gehört, wenn ich auch zugeben muss, dass ich mich niemals zuvor damit befasst habe.«
Wie so oft, wenn ich in der Nähe dieser Frau war, fühlte ich mich unbehaglich, wie ein kleines Kind, das auf eine Lehrstunde wartete. Ich wand mich unter ihrem stechenden, durchdringenden Blick, als sie mich einmal mehr kühl musterte und dabei ihre Gedanken kaum vor mir verbarg. Es dauerte eine Weile, bis sie diese Tätigkeit zu ihrer Zufriedenheit ausgeführt hatte und sich endlich dazu herabließ, mir zu antworten.
»Nun, dann wird es Zeit, dass du dich damit befasst. Denn auch du selbst lebst in ständiger Gefahr, sollte jemals bekannt werden, über welche Kräfte du verfügst.«
Ich starrte mein Gegenüber misstrauisch an, sagte jedoch nichts, um die Fürstin nicht zu unterbrechen. Sie schien mir ohnehin keineswegs auf eine Unterbrechung bedacht, auch wenn sie mich in langen Pausen zappeln ließ und sich viel Zeit nahm, um fortzufahren.
»Du weißt bereits, dass die Artiste ihre Reihen rein halten und Bastarde nicht gerne sehen. Das ist kein Geheimnis und genau aus diesem Grunde existieren die schwarzen Artiste. Selbstverständlich wird dieses Wissen geheim gehalten und sie treten niemals selbst in Erscheinung. So kann jede Artista eine von ihnen sein, auch wenn du es niemals vermuten würdest. Man sollte niemandem leichtfertig vertrauen, doch das weiß eine Frau mit der Ausbildung einer Kurtisane sicherlich, nicht wahr, Ginevra?«
Ich nickte stumm, erwiderte jedoch nichts, was die Fürstin dazu veranlasste, mir ein verhaltenes Lächeln zu schenken.
»Ich sehe, du verstehst mich. Eine schwarze Artista ist niemand, dem man begegnen möchte. Und wer von ihnen vor Gericht gestellt wird, kommt selten mit dem Leben davon, wenn er nicht reinen Blutes ist und die Gesetze der Artiste gebrochen hat. Alesia mag den Tod nicht zu befürchten haben, wohl aber eine harte Strafe. Bei dir ist es natürlich eine vollkommen andere Sache, ebenso wie bei Andrea Luca.
Das Gericht der Artiste Neri steht über allen Gesetzen dieser Welt. Selbst wenn keine Artista es wagen kann, die Macht einer anderen auszulöschen, so sind es die Artiste Neri, denen es als Einzigen obliegt, ein solches Urteil zu vollstrecken.
Ja, auch mein Sohn hat die schwarzen Artiste zu fürchten, wenn sie jemals erfahren, dass Magie in seinen Adern fließt. Bisher ist es mir gelungen, es vor ihnen zu verbergen und ich bin damit einen ähnlichen Weg gegangen wie deine Mutter.«
Ich blickte die Artista schief an, denn mir war nicht eingängig, aus welchem Grunde sich diese Frauen für Andrea Luca interessierten sollten. Bisher hatte ich noch nie davon gehört, dass auch Männer mit der Gabe geboren wurden. Entsprechend konnte ich in den Worten der älteren Frau keinen Sinn finden.
Sie schien meine Gedanken lesen zu können, obgleich ich ihnen keinen Ausdruck verlieh, und antwortete auf meine unausgesprochenen Fragen.
»Dass niemand davon spricht, bedeutet nicht, dass Männer die Gabe nicht besitzen können, auch wenn sie selten ist. Bei ihnen prägt sie sich allerdings anders aus. Man nennt sie Scultori, Bildhauer, und es gibt nur wenige Artiste, die davon wissen. Andrea Luca weiß nichts von der Macht in seinem Blut, wenngleich ich sein Talent im Stillen gefördert habe. Würde es jemals bekannt, wäre sein Leben verwirkt.«
Andrea Luca besaß die Gabe der Magie? Es gab Männer, die die Gabe besaßen, ohne jemals Kenntnis davon zu erlangen, welche Macht in ihren Adern floss? Wie konnte es sein, dass ein solches Geheimnis seit Jahrhunderten nicht ans Tageslicht gedrungen war? Als mir klar wurde, welche Bedeutung die Worte Beatrice Santis besaßen, wurde mir kalt. Was mochte hinter den Kulissen Terranos vor sich gehen, um das Geheimnis der Artiste zu hüten? Was lag hinter den Fassaden dieser weißen Schleier verborgen?
Was Beatrice Santi erzählte, erinnerte mich an die Inquisition und an Geschichten von Schwarzer Magie und Menschen, die mit dunklen Mächten im Bunde standen.
Es klang, als stamme es aus einer der Geistergeschichten, die wir als Kinder in heißen Sommernächten gehört hatten, wenn wir alle um ein Lagerfeuer versammelt gewesen waren. Es fiel mir schwer, daran zu glauben. Andererseits wirkte es auf mich nicht, als sei Beatrice Santi zu Scherzen aufgelegt. So blieb mir wenig anderes, als ihre Worte als Wahrheit hinzunehmen.
Während sie erzählte, bemerkte ich, wie im Osten bereits
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