Kurtisanen leben gefaehrlich
fiel über einem Reifrock aus weißer Spitze in seidigen Wellen zu Boden. Er wurde von den gleichen Kristallen bedeckt, die schon an dem Mieder angebracht worden waren. Über allem lag ein großmaschiger Schleier, der mit feinen Steinchen besetzt war und dem einer Artista ähnelte, ohne ihm vollkommen zu gleichen.
Leise zischend ließ ich den Atem aus meinen Lungen weichen, kaum fähig, den Blick von dem traumhaften Werk abzuwenden. Dem Kleid, das ich bei meiner eigenen Hochzeit tragen sollte. Der Hochzeit einer Kurtisane, die wie die Fürstentochter gekleidet werden sollte, die sie niemals hatte sein dürfen.
Beatrice Santi war nicht von meiner Seite gewichen und hatte meine Reaktion beobachtet. Nun schien sie des Beobachtens müde geworden, denn sie bedeckte das Kleid sorgfältig mit dem Tuch, bevor sie nach Ophélie rief. Nachdem die Mondiénnerin den Raum erreicht hatte, wobei sie keineswegs mehr so gerade stand wie ihre Herrin, richtete die Artista noch einmal das Wort an mich.
»Ophélie wird dich zu deinen Räumen bringen, Ginevra. Wir sehen uns wieder, wenn du deinen verlorenen Schlaf nachgeholt hast.«
Damit verließ sie mich. Ich nickte müde und wollte ebenfalls den Raum verlassen, als mir eine letzte Frage in den Sinn kam, die ich zu stellen vergessen hatte. Ich musste sie der Fürstin nachrufen, die sich bereits ein ganzes Stück entfernt hatte.
»Wann soll es soweit sein?«
Beatrice Santi, die Fürstin von Orsanto, lachte leise und zuckte ihre Schultern, bevor sie ihren Weg fortsetzte.
»Du wirst es schon bald erfahren.«
Dann verhallte die Stimme der Artista und ließ mich mit ihrer Dienerin allein in dem Gemach zurück, in dem sich mein Hochzeitskleid befand.
Kapitel 47
B
etäubt von den Geschehnissen dieser Nacht verharrte ich reglos in dem Raum mit dem nun wieder bedeckten Kleid und versuchte erfolglos, meine Gedanken zu ordnen. Erst die Erinnerung daran, dass Ophélie neben mir stand und mich mit einem wissenden Lächeln auf dem vollen Schmollmund abwartend anblickte, erleichterte diese schwierige Aufgabe. Um nichts in der Welt wollte ich ihr einen Grund zur Genugtuung geben.
Seit unserer letzten Begegnung auf der Promessa hatte ich kein Wort mehr mit ihr gewechselt. Ich war mir jedoch sicher, dass sie noch immer nach Rache dürstete und nur nach der richtigen Gelegenheit suchte, um mir die erlittene Schmach heimzuzahlen. Also kratzte ich meinen letzten Rest würdevollen Benehmens zusammen und lächelte sie mit falscher Freundlichkeit an, wenngleich ich ihr lieber auf andere Weise die Zähne gezeigt hätte.
Ophélie ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen, während sie scheinbar darauf wartete, dass ich zu reden begann. Ich überlegte kurz, ob ich ihr tatsächlich diesen Gefallen erweisen sollte, zuckte dann aber ergeben die Schultern. Ich war zu müde, um mich auf ihre kleinen Spielchen einzulassen und sie konnten gut und gerne warten, bis ich ein wenig Schlaf gefunden hatte.
»Vielen Dank, Ophélie. Ich denke nicht, dass ich Eure Hilfe noch benötige. Ich finde meine Gemächer auch ohne Eure Unterstützung.«
Ophélie zog eine ihrer zarten Brauen in die Höhe und musterte mich, bevor sie bestürzt ihre schmalen Finger an die Lippen legte und mich zweifelnd ansah.
»Aber Mademoiselle Cellini! Ihr seid keineswegs in der Verfassung, allein durch das Haus zu wandern. Und Ihr möchtet doch sicher nicht, dass ich mich Madame Santis Anordnungen widersetze.«
Sie lächelte mich bezaubernd an, ein Gesichtsausdruck, der dafür sorgte, dass sich die Härchen an meinen Armen aufstellten. Dann trat sie näher an mich heran, um meinen Arm zu nehmen. Es fiel mir schwer, den Impuls zu unterdrücken, ihr den Arm zu entreißen. Mein Körper war mit einem Schlag hellwach und funktionierte, ohne mir Schwierigkeiten zu bereiten.
Ophélies Arbeit war offenbar noch nicht beendet und sie würde mir keine Ruhe gönnen, bis sie ihr Vorhaben in die Tat umgesetzt hatte.
Ich legte in einer Imitation ihrer Geste meine Hand auf die Brust und heuchelte ebenfalls Bestürzung, jedoch nicht, ohne mir dabei ausgesprochen lächerlich vorzukommen. Ich würde also mitspielen und ihr nicht kampflos das Feld überlassen.
»Verzeiht, Ophélie! Selbstverständlich würde ich Euch niemals in Schwierigkeiten bringen wollen! Lasst uns gehen. Dieser Raum ist keineswegs die passende Umgebung, um darin Ruhe zu finden.«
»
So wie deine Gesellschaft, du kleine Hexe
«, fügte ich in Gedanken hinzu und lächelte
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