Kurtisanen leben gefährlich
Santi ist durch die nun offenbarte Liebe zu Sante Santorini ein wenig sanfter geworden. Doch das hält sie nicht davon ab, mir gegenüber stets die gewohnte Strenge an den Tag zu legen.
Manchmal frage ich mich, ob sie vielleicht doch in die Zukunft geblickt und den Ausgang des Tages der Hochzeit gesehen hat. Es ist kein angenehmes Gefühl, denn wann immer ich in die kühlen Augen der Artista schaue, sehe ich dort das Wissen über Dinge, die ich noch nicht erfahren darf. Der Gedanke, dass sie unsere Zukunft kennt und sie lenken kann, ängstigt mich.
Auch die Erinnerung an die letzten Worte des Pascale Santorini lebt in meinen Albträumen weiter und sie verfolgen mich, obgleich ich keinen Grund dafür finden kann. Vielleicht ist es die Furcht, dass er selbst aus dem Reich der Toten noch nach uns zu greifen vermag, um seine Rache zu nehmen.
Der Gedanke an die Existenz der schwarzen Artiste ist ebenfalls der Gegenstand vieler dunkler Träume, die mich in der Nacht heimsuchen. Alesia della Francesca ist seit der Hochzeit spurlos verschwunden und es fällt mir nicht schwer, zu erraten, warum.
Ich warte beinahe jeden Tag darauf, dass sie auch die Töchter der Fiora Vestini in ihre Gewalt zu bringen versuchen, um herauszufinden, ob die Gabe durch unsere Adern fließt. In diesen Augenblicken hasse ich Beatrice Santi dafür, dass sie unser Geheimnis der ganzen Welt preisgegeben hat. Sie hat uns damit einer Gefahr ausgesetzt, für die keine Notwendigkeit bestand.
Für Angelina ist es eine schwierige Zeit, seitdem sie von ihrer wahren Abstammung erfahren hat. Mehr noch als ich wehrt sie sich gegen das Erbe der Artiste und sie versucht, den ungewollten Verpflichtungen auszuweichen, wann immer es ihr möglich ist. In letzter Zeit sehe ich sie häufig in der Begleitung des genesenen Bahirs, der von der zweiten blauäugigen Frau aus der Prophezeiung fasziniert ist.
Es ist eine Faszination, die auch in Angelina zu erblühen scheint. Ich befürchte nicht selten, dass sie einfach ihre Pflichten vergessen und Bahir nach Marabesh folgen könnte. Auf zu neuen Abenteuern und weit weg von dem Leben einer Fürstentochter, das sie in Terrano erwartet.
Sultan Alim hat schon lange den Weg zurück nach Hause angetreten, voller Trauer über den Tod seiner wahren Tochter und voller Wut. Ohne Delilah, deren Verbleib wohl nur Domenico Verducci bekannt ist. Wann immer ich ihn frage, was mit ihr geschehen ist, versteinert sein Gesicht wie an dem Tag, an dem er sie ihrem Schicksal überantwortet hat. Er antwortet nie. Selbst Sadira hat es aufgegeben, die Lösung dieses Rätsels zu suchen und so überlassen wir Verducci den Schatten seiner Vergangenheit, die er mit niemandem teilen möchte. Nur der Sultan und Bahir, die ihm in dem Leid ihrer verlorenen Liebe verbunden sind, scheinen mehr zu wissen. Sie hüllen sich jedoch in Schweigen, um die dünne Oberfläche, die sich über Verduccis Wunde gebildet hat, nicht zu zerstören.
Was bleibt nun, nachdem alles vorbei ist? Oder hat etwa alles erst begonnen? Ich weiß es nicht, fehlt mir doch die Fähigkeit, in die Zukunft zu blicken. Und ich möchte mein Schicksal nicht in die Hände einer jener Wahrsagerinnen des Wandervolkes legen, die auf den Märkten in ihre kristallenen Kugeln blicken.
Die Adelshäuser Terranos sind in Aufruhr. Die Häuser Santi und Santorini sind durch einen gemeinsamen Erben vereint, der eine Erbin des Hauses Vestini zu seiner Fürstin machen möchte. Folglich befürchtet man in den Häusern Mantegna, Barile und Vestini eine zu starke Konzentration der Macht in einer Hand. Und tatsächlich, ich brauche keine Kristallkugel, um vorherzusehen, dass uns aus dieser Richtung Gefahr drohen wird. Ganz davon abgesehen, dass meine Existenz eine Bedrohung für das Machtgefüge innerhalb meiner eigenen Familie darstellt. Einer Familie, die ich noch nicht einmal kenne.
Natürlich erhebe ich keinen Anspruch auf den Thron Serrinas. Aber Fiora Vestini war eine beliebte Fürstin und wie lange wird es dauern, bis das Volk seine Stimme erhebt? Den Anspruch ihres Bruders in Zweifel zieht? Battista Vestini steht nicht in hohem Ansehen. Seine Verschwendungssucht und sein Jähzorn sind weithin bekannt. Zwei mögliche Erbinnen seiner Schwester sind sicherlich das Letzte, was er braucht, selbst wenn sie das Blut eines Malers von niederer Geburt in ihren Adern tragen.
Meine Mutter war nicht glücklich, als sie erfahren hat, was ihren Töchtern widerfahren ist. Niemals hat sie gewollt, dass unser
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