Kurtisanen leben gefährlich
Fenster, schien aber nichts Beunruhigendes feststellen zu können und wandte sich zu mir um.
»Wir werden gleich unseren Bestimmungsort erreicht haben, Signorina. Ich hoffe, die Umstände werden Euch nicht allzu unerträglich erscheinen. Denkt immer daran, es dient Eurer eigenen Sicherheit.«
Da war es wieder, dieses rätselhafte, amüsierte Lächeln, als sei dies alles nur ein Spiel, aufgeführt zu seiner eigenen Belustigung. Ich ersparte mir eine Antwort, denn sie wäre ohnehin nur verschwendeter Atem gewesen. Wie passte dies alles zusammen? Verduccis Grausamkeit und seine immerwährende Belustigung auf der einen Seite, gegen die anhaltende Düsternis, die auf seiner Seele lastete und seinen verdrehten Sinn für Gerechtigkeit?
Ich sehnte mich nach Andrea Luca und der Geborgenheit, die ich manchmal in seiner Nähe empfand, wenn er die Mauern fallen ließ, die ihn für gewöhnlich umgaben. Er war so anders als der Mann, der mir gegenübersaß. Sicher gleichermaßen gefährlich, dabei aber menschlich und lebendig, von einer Freude am Leben erfüllt, die dieser Mensch nicht mehr besaß. Was mochte ihm wohl widerfahren sein? Vielleicht wartete die Lösung des Rätsels an dem Ort, an den er mich brachte. Ich war mir jedoch nicht sicher, ob ich sie wirklich erfahren wollte.
Salzige Seeluft drang durch die kleinen Kutschenfenster, als wir endlich anhielten und die Tür von außen geöffnet wurde. Der Narbenmann sprang hinaus und nahm dann meine Hand, um mir herauszuhelfen. Wir waren am Hafen von Porto di Fortuna angelangt, wie ich zu meiner Überraschung feststellte, jenem Ort, an dem ich das Schiff der Prinzessin zum ersten Mal erblickt hatte.
Ich sah mich erstaunt um, nahm die vielen Schiffe wahr, die hier vertäut waren, und richtete dann einen fragenden Blick an Domenico, der zielstrebig eines dieser Schiffe ansteuerte. Es war ein großes Handelsschiff, an dessen Mast die Flagge von Terrano wehte. Verducci beachtete mich nicht, während er mich weiter voran zog.
Mein Blick wanderte über die Galionsfigur, eine schöne Nixe mit rotem Haar, so rot wie das Haar der Prinzessin. Ich konnte nun den Namen des Schiffes erkennen, der in goldenen Lettern angebracht worden war – La Promessa, das Versprechen.
Es war ein merkwürdiger Name für ein Schiff wie dieses, denn die meisten Handelsschiffe trugen weibliche Vornamen. Eine Tradition, die von den Seefahrern seit Jahrhunderten aufrecht erhalten wurde und die oft an die Geliebte eines Kapitäns erinnern sollte, die er auf See für eine lange Zeit nicht mehr zu Gesicht bekommen würde. Oder vielleicht nie mehr, denn die Ozeane waren tückisch und launenhaft.
Verducci lief mit mir die Planken hinauf und rief in vollem Lauf seinen Leuten einige Anweisungen zu. Ich verstand wenig von der Seefahrt, aber mir war durchaus bewusst, was »Setzt die Segel!« zu bedeuten hatte. Die Promessa würde auslaufen und wohin, das wusste Edea allein.
Panik keimte in mir auf und ließ mich in einem verzweifelten Versuch, freizukommen, stehen bleiben und gegen Verduccis festen Griff um meine Handgelenke ankämpfen. Doch der Narbenmann war unerbittlich und zerrte mich weiter mit sich in die Dunkelheit seiner Kajüte hinab.
Ich konnte die lüsternen Blicke der Seeleute auf mir ruhen spüren und Übelkeit ergriff mich, als ich die rauen Gesellen flüchtig zu Gesicht bekam. Ich sollte auf einem Schiff mit all diesen Männern bleiben? Geschützt von was? Nur dem Willen eines Mannes, dem ich nicht trauen konnte, aber in dessen Gewalt ich mich nun ohne Zweifel befand?
Hinter mir fiel die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss und Verducci schüttelte mich grob. Es dauerte einen langen Augenblick, bis mir bewusst wurde, dass er mit mir redete. Und es dauerte noch länger, bis ich genügend klaren Verstand aufbrachte, um seine Worte tatsächlich zu verstehen. Der Narbenmann wollte mich beruhigen. Er war ernst und hielt mich an den Schultern.
»So beruhigt Euch, Signorina! Ihr seid hier in Sicherheit. Niemand auf diesem Schiff wird Euch ein Leid zufügen, das garantiere ich Euch!«
Mein laut schlagendes Herz dröhnte in meinen Ohren wie eine Trommel. Ich rang nach Atem und die Worte verließen gepresst meine Lippen.
»Wohin bringt Ihr mich?«
Der Narbenmann sah mich hilflos an, eine Gefühlsregung, die ich an ihm nicht erwartet hatte, die jedoch die meisten Männer unter ähnlichen Umständen zeigten. Er setzte mich unbeholfen auf einen unverrückbaren, weichen, roten Sessel, der mit
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