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Kurz bevor dem Morgen graut

Kurz bevor dem Morgen graut

Titel: Kurz bevor dem Morgen graut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Kimmelmann
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wahrscheinlich nicht staubig, aber es roch nach Staub und Mottenkugeln. Ich habe eigentlich keine Ahnung, wie Mottenkugeln riechen, aber man hat es einfach so im Hinterkopf, dass ein undefinierbarer Geruch in den Häusern alter Leute wahrscheinlich von Mottenkugeln herrühren muss.
    „Und wie lange musst du noch hier wohnen?“, fragte ich, ohne mir Mühe zu geben, das Mitleid in meiner Stimme zu verbergen.
    „Ein paar Wochen“, meinte sie. Sie wich meinem Blick aus.
    Dann führte sie mich in ihr Zimmer. Das erschütterte mich noch mehr, denn es war mit Abstand das altmodischste Zimmer im ganzen Haus (nicht dass ich alle Zimmer kannte, ich konnte nur den Vergleich zum Wohnzimmer ziehen).
    „Hier wohnst du?“, fragte ich fassungslos.
    Ich war fast etwas angewidert von dem Gedanken, auf diesem altmodischen Bett intime Berührungen mit Kiandra auszutauschen.
    „Was soll ich machen?“, meinte Kiandra und zuckte peinlich berührt mit den Schultern. „Frau Schuster konnte ja nicht extra ein Jugendzimmer für mich einrichten.“
    Jugendzimmer. Noch so ein Beispiel ihres überholten Wortschatzes.
    Kaum hatte ich sie für antiquiert gehalten, schaffte sie es doch gleich wieder, mich in Erstaunen zu versetzen.
    „Was ist?“, meinte sie kess. „Legen wir los?“
    „Loslegen?“, fragte ich verdattert. „Du meinst ...?“
    „Ich meine“, sagte sie und schubste mich aufs Bett.
    Der Geruch von (waren es wirklich) Mottenkugeln (?) strömte auf mich ein und ich hielt den Atem an. Das hätte ich so oder so getan. Denn Kiandra begann nicht etwa mit zärtlichen Berührungen, sondern nestelte sofort an meiner Hose herum.
    „Ernsthaft?“, fragte ich, mit einer etwas höheren Stimmlage als sonst. Das war die Nervosität. Entschuldigung, aber jeder macht es irgendwann zum ersten Mal.
    „Was denn sonst“, sagte sie lachend und machte weiter.
    Ich will Sie jetzt nicht mit den Einzelheiten meines ersten Males langweilen. Ich muss sagen, es war schön. Aus damaliger Sicht gesehen. Heute denke ich nur noch mit Ekel daran zurück. Aber dazu komme ich später. Festhalten kann ich, dass mir in diesem Moment definitiv eines klar war: Kiandra hatte das schon mal gemacht. Und nicht nur einmal.
    Als wir fertig waren, lag ich erschöpft auf dem Bett.
    „Ich müsste mal ins Bad“, sagte ich.
    Ich musste nämlich wirklich pinkeln. Ich hatte vorher schon vor lauter Nervosität gemusst und jetzt musste ich, weil ... nun, Sie kennen die menschliche Natur, Herr Hauptkommissar.
    „Oh, klar ...“, meinte sie. Sie schien nachzudenken.
    „Irgendein Problem?“, wollte ich wissen.
    „N ... nein“, stammelte sie. „Nimm bitte nur nicht das Bad hier im ersten Stock, da ist das Klo kaputt. Nimm die Toilette unten im Parterre, gleich neben der Haustür.“
    Das tat ich. Als ich wieder nach oben ging, bemerkte ich, dass die Badtür im ersten Stock einen Spalt offen stand. War Kiandra auch einem dringenden Bedürfnis gefolgt? Aber wieso, wenn das Klo kaputt war? Ich ging ein paar Schritte auf die Tür zu, als ich plötzlich einen kalten Hauch aus dem Türspalt kommen spürte. Hatte sie ein Gefrierfach da drin? Plötzlich hörte ich ein seltsames Geräusch. Es klang wie eine Mischung zwischen einem Stöhnen und einem Knurren.
    „Kiandra?“, fragte ich. „Alles in Ordnung?“
    Der kalte Hauch streifte mich abermals. Das war mir unheimlich. Ich beschloss, ins Zimmer zu gehen und auf Kiandra zu warten. Schließlich hatte sie ihre Privatsphäre im Bad verdient, auch wenn wir schon miteinander geschlafen hatten.
    Als ich ins Zimmer kam, erstarrte ich. Kiandra stand mitten im Zimmer, inzwischen wieder angezogen.
    „Was ist los?“, fragte sie erstaunt.
    „Ich dachte, du bist im Bad“, sagte ich verwundert. „Ich habe Geräusche gehört.“
    Mit einem Mal wurde Kiandra leichenblass.
    „Kiandra“, beharrte ich. „Wer oder was ist im Bad?“
    „Niemand“, sagte sie hastig. „Wahrscheinlich Frau Schusters Katze. Du musst jetzt gehen.“
    Sie warf mir meine Klamotten zu. Ich zog mich hastig an, ohne Fragen zu stellen. Was wurde hier gespielt?
    Sie zerrte mich an der Hand nach unten und schob mich vor die Tür.
    „Ich ruf dich an“, meinte sie und küsste mich flüchtig auf den Mund. Dann schloss sie die Tür von innen.
    Verwirrt und beunruhigt blieb ich noch eine Weile vor Margarethe Schusters Tür stehen und starrte gegen den geschmacklosen Türklopfer, einen vergoldeten Pudelkopf.
    Was war hier los? Warum wohnte Kiandra bei dieser alten

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