Kurz bevor dem Morgen graut
misstrauischen Unterton, während sie ausstieg.
„Die ist gleich da vorn um die Ecke“, sagte Leo und ging um das Auto herum. „Ich zeig sie dir.“
„Gut“, sagte Lena ein wenig beruhigt und machte sich daran, ihren Rucksack vom Rücksitz zu holen.
Leo nutzte diesen kleinen Moment, in dem Lena sich in den Wagen beugte, aus. Er zog das bereits aufgeschraubte Chloroform-Fläschchen aus seiner linken Manteltasche und tränkte das Tuch, das er aus seiner rechten Manteltasche heraus gezogen hatte, damit, bis das Fläschchen leer war. Dann warf er sich über Lena und presste ihr von hinten das Tuch übers Gesicht.
Lenas Reaktion war heftiger, als Leo erwartet hatte. Sie schlug augenblicklich um sich und versuchte zu schreien, aber der Druck von Leos Hand auf ihr Gesicht war stärker und das Tuch dämpfte den Schrei zu einem erstickten Grunzen. Leo musste sie mit seinem linken Arm fixieren, solange sie strampelte und hoffte, dass das Chloroform schnell wirkte. Er wurde nicht enttäuscht. Nach ein paar Sekunden sank Lena schlaff in seinen Armen zusammen.
Leo blickte sich hektisch um, ob irgendjemand sie gesehen hatte. Aber alles war ruhig. Er zerrte Lena zu Toms Hauseingang, als ihm plötzlich ein lautes Scheppern und kurz darauf das Klirren von zerbrochenem Glas das Blut in den Adern gefrieren ließ. Er sah in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war, und stellte fest, dass es Lenas Medizinfläschchen war, das aus ihrer Tasche gefallen und zu Bruch gegangen war. Die grüne Soße lief über den Bordstein.
Leo wischte sich den Schweiß von der Stirn. Wenn es weiter nichts war. Das Mädchen würde schon nicht sterben ohne die Medizin. Hoffte er.
„Was machst du denn für einen Krach?“, fauchte ihn Tom an, der aus dem Haus kam. „Bring die Kleine hier rüber, aber dalli.“
Zusammen schleppten sie Lena ins Haus, wo schon Phil und Teddy warteten.
„Na, da ist ja unser Püppchen“, feixte Teddy. „Hat sie Schwierigkeiten gemacht?“
„Ging schon“, sagte Leo. „Lasst sie uns schnell nach oben bringen, das Chloroform wirkt nicht mehr lange.“
„Alles klar“, meinte Phil. „Aber was hast du denn mit der Schnecke gemacht? Die glüht ja im ganzen Gesicht.“
„Hat die sich was eingefangen?“, fragte Tom.
„Nee“, beruhigte ihn Leo. „Zumindest nichts Ansteckendes hat sie gesagt. Nur ein manchmal auftretendes Familienleiden. Leider ist mir draußen ihre Medizin runtergefallen.“
„Na super“, schnauzte Phil ihn an. „Pass bloß auf, dass dir die Kleine nicht abkratzt. Sonst wird dir Kerner den Kopf abreißen. Du weißt, wie dringend er eine neue Lieferung braucht.“
„Weiß ich. Helft ihr mir jetzt oder was?“
Mit vereinten Kräften trugen sie Lena in eine Kammer im ersten Stock des Hauses. Sie legten sie bäuchlings auf den Boden, verschränkten ihr die Arme auf dem Rücken und fixierten ihre Hände mit Handschellen. Danach machten sie sich daran, ihre Füße mit einem Kabel zu fesseln.
„Du bleibst bei ihr und bewachst sie“, befahl Tom Leo. „Wir drei warten unten, bis Kerner kommt.“
„Okay“, meinte Leo. „Aber wenn ich Hilfe brauch, ruf ich euch.“
„Du wirst schon mit einem kleinen Teenager fertig werden“, neckte ihn Teddy, bevor sie sich wieder nach unten begaben und Leo mit Lena allein ließen.
Das Mädchen war länger bewusstlos, als ihr Entführer gehofft hatte. Während der nächsten Stunde wurde sie allerdings von heftigen Fieberanfällen geschüttelt und rollte sich mehrmals auf dem harten Holzboden von einer Seite auf die andere. Dabei kamen aus ihrer Kehle Laute, die Leo noch nie gehört hatte. Langsam wurde ihm die Sache unheimlich. Er hoffte, dass ihm Lena nicht wirklich noch wegsterben würde. Zum Glück würde Kerner bald kommen. Er würde wissen, was zu tun war.
Völlig unvermittelt schlug sein Opfer die Augen auf.
„Wo bin ich?“, fragte sie. Ihre Stimme war inzwischen nur noch ein dumpfes Röcheln.
Ihre Augen fixierten ihren Peiniger.
„Was hast du mit mir gemacht?“, krächzte sie.
„Das hat dich nicht zu interessieren“, blaffte Leo sie an. „Reiß dich lieber langsam zusammen, dein neuer Boss wird gleich hier sein.“
„Mein neuer Boss?“, fragte Lena fassungslos. „Du ... du Schwein hast mich gekidnappt!“
„Aufmerksam beobachtet“, bemerkte Leo trocken.
Plötzlich wurde die Gefesselte von etwas anderem abgelenkt. Panisch starrte sie zum Fenster.
„Scheiße, wie spät ist es?“, fragte sie.
„Kurz vor
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