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Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch

Titel: Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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zu keiner Jahreszeit mehr Mangel herrschte.
    Wenn ich Mutter wegen ihrer Vorräte, mit denen sie eine Armee hätte füttern können, aufzog, drohte sie mir nur mit dem Finger
     und erklärte: »Das ist für den Fall, dass dein Tony Benn an die Macht kommen sollte.«
     
    Meine Mutter hatte Ideologie kennen gelernt, und sie hatte Hunger kennen gelernt. Als sie einundzwanzig war, verfiel Stalin
     auf die Idee, eine Hungersnot als politische Waffe gegen die ukrainischen Kulaken, die Großbauern, einzusetzen. Sie wusste
     – und dieses Wissen kam ihr auch in den fünfzig Jahren, die sie in England lebte, nie abhanden und setzte sich nach und nach
     sogar in ihren Töchtern fest   –, sie wusste mit Sicherheit, dass hinter den prall gefüllten Regalen und Verkaufstheken von Tesco und Coop noch immer das
     klapperdürre, hohläugige Gespenst des Hungers darauf lauerte, sich erbarmungslos auf einen zu stürzen, sobald man nicht auf
     der Hut war. Ja, der Hunger würde vor niemandem Halt machen, und dann kamen die Waggons, in |27| die seine Opfer verladen wurden, die Karren, die rennenden, flüchtenden Menschenmassen und eine Reise, die unweigerlich in
     den Tod führte.
    Das einzige Mittel, dem Hunger ein Schnippchen zu schlagen, ist, dass man spart und Vorräte anlegt; wenn man dem Hunger keine
     Chance geben will, muss man immer etwas zur Seite legen, auf das man zurückgreifen kann. Mutter entwickelte eine außerordentliche
     Leidenschaft und Geschicklichkeit beim Sparen. Sie marschierte eine halbe Meile die Hauptstraße hinunter, wenn sie dort eine
     Packung Zucker um einen Penny billiger bekam. Sie kaufte nichts, was sie selbst herstellen konnte. Meine Schwester und ich
     standen Qualen der Scham aus wegen unserer selbstgenähten Kleider, die sie aus Stoff-Restposten vom Markt zusammenschneiderte.
     Wir mussten ihre traditionellen Kochkünste über uns ergehen lassen und ihr selbstgebackenes Brot essen, auch wenn es uns noch
     so sehr nach Fast Food und Weißbrotschnitten gelüstete. Was Mutter nicht selbst machen konnte, wurde gebraucht gekauft. Ob
     Schuhe, Mäntel oder Dinge für den Haushalt – immer war alles schon von jemand anderem vor uns ausgesucht, besessen, benutzt
     und wieder abgelegt worden. Und falls man doch einmal etwas neu kaufen musste, musste es das Billigste sein, vorzugsweise
     im Preis reduzierte oder als Schnäppchen angebotene Waren. Obst, das schon kippte, Dosen, die verbeult, Schnitte, die von
     der Mode längst überholt waren. So etwas spiele doch keine Rolle, meinte Mutter, wir seien nicht eingebildet, und schon gar
     nicht seien wir so dumm, unser Geld für Äußerlichkeiten zum Fenster hinauszuwerfen, wo doch jeder kultivierte Mensch weiß,
     dass es nicht auf die Verpackung, sondern auf den Inhalt ankommt.
     
    Vater lebte in einer anderen Welt. Er fuhr jeden Tag nach Doncaster, wo er als technischer Zeichner in einer Traktorenfabrik |28| arbeitete. Er verdiente Geld und kaufte, was die anderen Männer in seiner Arbeitsstelle auch kauften: etwas Neues zum Anziehen
     (»Was war denn mit dem alten Hemd? Ich hätte es doch flicken können!«), eine Kamera (»Als wenn man eine Kamera haben müsste!«),
     einen Plattenspieler und Schallplatten (»So eine Verschwendung!«), Bücher (»Und dabei haben sie so viele gute Bücher in der
     Bibliothek   …«), Heimwerker-Handwerkszeug (»Um im Haus lauter dummes Zeug zu machen«), Möbel (»Bei Coop wären sie billiger gewesen«),
     ein neues Motorrad (»Damit er wie ein Verrückter rasen kann«). Jede Woche lieferte er bei Mutter einen festen, nicht eben
     knauserigen Betrag als Haushaltsgeld ab, und was übrig blieb, gab er aus.
    Und so kam es, dass nach fünfzig Jahren sparen, einkochen, backen und alles selbermachen Mutter von dem Geld, das Vater ihr
     zur Verfügung gestellt hatte, einen kleinen Notgroschen in Höhe von mehreren tausend Pfund zusammengespart hatte. Das war
     ihr Schutzschild gegen den Hunger, ihr Ruhekissen des Nachts, ihr Geschenk an Sicherheit für ihre Kinder, falls uns irgendwann
     einmal der Hunger in die Klauen bekommen sollte. Doch was als Geschenk gedacht war, entwickelte sich zum Fluch, denn zu unserer
     Schande gerieten meine Schwester und ich uns in die Haare, als es darum ging, diese kleine Erbschaft aufzuteilen.
    Nach dem Unentschieden bei der Beerdigung bombardierten wir uns gegenseitig mit hasserfüllten Briefen und spritzten Gift durchs
     Telefon. Einmal in Fahrt, gab es kein Halten mehr.
     
    Eines

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