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Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch

Titel: Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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nichts vormachen.
    Aber ich weiß auch, wo ich bei ihr mit meinen Sticheleien ansetzen kann.
    »Ach – die dunklen Seiten des Lebens machen dir zu schaffen? Meinst du nicht, du solltest dich mal um therapeutische Hilfe
     kümmern?« Ich sage das in meiner professionellsten Seien-wir-doch-vernünftig-Stimme, der Stimme, die ich benutze, wenn ich
     mit Papa rede.
    »Lass bitte diesen Sozialarbeiter-Ton, Nadeshda.«
    »Mach doch eine Therapie. Stell dich diesen dunklen Seiten. Hol sie ans Licht, bevor sie dich auffressen.« (Ich weiß, dass
     ich sie damit auf hundertachtzig bringe.)
    »Hilfe! Therapie! Ja – reden wir doch alle über unsere Probleme. Fallen wir uns doch in die Arme, damit es uns besser geht.
     Helfen wir den Unterprivilegierten. Spenden wir unser Geld für die verhungernden Kinder der Welt.« Sie beißt heftig in ein
     Kanapee. Eine Olive fällt zu Boden.
    |18| »Vera, du musst mit einem Trauerfall und einer Scheidung fertig werden. Es ist doch kein Wunder, wenn das zu viel für dich
     wird. Du brauchst einfach Hilfe.«
    »Alles reine Selbsttäuschung. Innendrin sind die Leute hart und gemein und egoistisch. Du kannst dir gar nicht vorstellen,
     wie ich Sozialarbeiter verachte.«
    »Erstens kann ich mir das sehr gut vorstellen. Und zweitens, Vera, bin ich keine Sozialarbeiterin.«
     
    Auch mein Vater ist zornig. Für ihn sind die Ärzte daran schuld, dass sie sterben musste, meine Schwester ist schuld, die
     Zatshuks, der Mann, der das Gras hinter dem Haus mäht. Manchmal ist auch er selbst schuld. Er streift durchs Haus und murmelt
     vor sich hin, wenn das nicht gewesen wäre und wenn jenes nicht passiert wäre – meine Millotschka könnte heute noch leben.
     Unsere kleine Emigrantenfamilie, die Mutter so lange mit ihrer Liebe und ihrem ukrainischen Borschtsch zusammengehalten hat,
     fängt an auseinander zu brechen.
    Vater, nun allein in diesem leeren Haus, lebt nur noch von Konserven. Er isst auf zusammengefalteten Zeitungen, als würde
     es sie wieder zurückbringen, wenn er sich selbst bestraft. Zu uns zu kommen und bei uns zu leben, lehnt er ab.
    Manchmal fahre ich ihn besuchen. Dann sitze ich gern für eine Weile auf dem Friedhof, wo sie begraben liegt.
    Auf ihrem Grabstein steht:
     
    LUDMILLA MAJEVSKA
    GEB. 1912   IN DER UKRAINE
    GELIEBTE GATTIN VON NIKOLAI
    MUTTER VON VERA UND NADESHDA
    GROSSMUTTER VON ALICE; ALEXANDRA UND ANNA
     
    |19| Der Steinmetz hatte einige Mühe, alles unterzubringen.
    Ein blühender Kirschbaum steht da und darunter eine Holzbank, von der aus man über das gepflegte Rasenstück schaut, das jetzt
     zur Hälfte schon neue Gräber beherbergt und durch eine Weißdornhecke von einem Weizenfeld abgetrennt ist, hinter dem andere
     Weizenfelder und Kartoffeläcker und Rapsfelder in den Horizont hineinwachsen. Mutter kam aus der Steppe und fühlte sich wohl
     mit diesen weiten, offenen Horizonten. Die ukrainische Flagge besteht aus zwei Rechtecken, einem blauen über einem gelben
     – Gelb für die Kornfelder, Blau für den Himmel. Die weite, flache konturlose Marschlandschaft hier erinnerte sie an zu Hause.
     Nur der Himmel ist hier selten so blau.
    Ich vermisse meine Mutter, doch allmählich bekomme ich meinen Kummer über ihren Tod in den Griff. Ich habe einen Mann und
     eine Tochter, und mein Leben spielt sich anderswo ab.
    Vater wandert durch das Haus, in dem sie zusammen gelebt haben. Es ist ein hässliches kleines Neubauhaus mit Kiesverputz und
     einer seitlich angebauten Garage aus Waschbeton. An den anderen drei Seiten ist es vom Garten umgeben, in dem Mutter Rosen
     zog, Lavendel, Flieder, Akelei, Mohnblumen, Stiefmütterchen, Klematis (Jackmanii und Ville de Lyon), Löwenmäulchen, Fingerkraut,
     Goldlack, Katzenminze, Vergissmeinnicht, Pfingstrosen, Aubretia, Montbretia, Glockenblumen, Steinrosen, Rosmarin, Iris, Lilien
     und eine purpurrot rankende Glyzinie, die sie selbst aus einem in einem Botanischen Garten geklauten Ableger gezogen hatte.
    Es gibt zwei Apfelbäume, zwei Birnbäume, drei Pflaumenbäume, einen Kirschbaum und einen Quittenbaum, dessen duftende gelbe
     Früchte seit zwanzig Jahren auf der Dorf-Schau prämiert werden. Hinter dem Blumengarten und dem Rasen sind drei Reihen Gemüsebeete,
     wo Mutter |20| Kartoffeln, Zwiebeln, Stangenbohnen, dicke Bohnen, Erbsen, Mais, Kürbis, Karotten, Knoblauch, Spargel, Salat, Spinat, Rosenkohl
     und andere Kohlsorten anbaute. Dazwischen wachsen wilder Dill und selbstausgesäte Petersilie. An der Seite sind

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