Kuss der Finsternis - Cole, K: Kuss der Finsternis
gewissen Punkt. Es ist fraglos unmöglich, durch die Zeit zurückzureisen, um die Zukunft zu ändern. Das würde Wahnsinn und Verderben bedeuten.“ Sie wandte sich mit ernster Miene Kaderin zu. „Ich muss schon sagen, Walküre, du solltest ihm ruhig ein bisschen mehr Glauben schenken. Schließlich ist er ein Gelehrter.“ Sie zuckte mit den Achseln und fuhr fort. „Aber die Magie gestattet uns, zurückzugehen und gelegentlich ein paar Kleinigkeiten zu entfernen. Ein mystischer Zaubertrick.“
„Ich werde ihn also nicht vergessen?“ Kaderin konnte einfach nicht aufhören zu zittern.
„Nein, ganz und gar nicht. Aber wenn ihr den Schlüssel benutzt, versucht ja nicht, besonders schlau zu sein. Zeit ist etwas Lebendiges, Fließendes, weigert sich jedoch, dasselbe der Vergangenheit zuzugestehen. Thranes Geniestreich war die Entdeckung von Türen, die sich zur Vergangenheit hin öffneten, von der Zeit aber sogleich wieder geschlossen wurden, um Instabilität und Chaos zu verhindern. Also schuf er einen Schlüssel, der Millionen von Türen zur selben Zeit öffnen kann. Die alle zu schließen, hält einen schon ganz schön auf Trab. Man hofft, dass die eigene Tür die letzte ist, die geschlossen wird, denn wenn man ausgeschlossen wird, schwindet man dahin.“
Riora sah Kaderin mit zur Seite geneigtem Kopf an und richtete dann ihren scharfen, durchdringenden Blick auf Sebastian. „Sieh dir nur Kaderins Erleichterung an, Vampir. Aus irgendeinem Grund war deine Anziehungskraft auf sie größer als der Segen, der ihr von einer Göttin“, sie spreizte die Finger und studierte aufmerksam ihre Nägel, „zuteil wurde, die über nicht gerade wenig Macht verfügt.“
„Segen?“, fragte Sebastian. „ Der Segen?“
„ Du? “, flüsterte Kaderin. „Du warst das?“
„Ja.“ Riora musterte sie. „Darum war ich so fassungslos, als deine Zuneigung zu einem Vampir sie völlig außer Kraft setzen konnte.“
„Warum?“, fragte Kaderin. „Warum hast du das getan?“
„Du hast dir die Schuld am Tod deiner Schwestern gegeben, doch du warst noch zu jung zum Sterben. Deine Trauer schwächte die Koven der Walküren.“
„Aber wieso alle Gefühle absterben lassen? Ich habe weder Freude noch Liebe noch den Drang zu lachen verspürt.“
Riora hüstelte. „Das war so nicht beabsichtigt.“ Sie wandte sich Sebastian zu. „Du, und du allein, hast ihr ihre Gefühle zurückgegeben. Und das war auch höchste Zeit.“
„Das erklärt so manches“, sagte Sebastian und geriet ins Schwanken.
„Jetzt müssen wir dich erst mal verbinden.“ Kaderin lehnte sich gegen ihn, um ihm dabei zu helfen, aufrecht zu stehen. Sie war erschrocken, wie blass er geworden war. Wie viel Blut er wohl verloren hatte?
„Kaderin, er blutet mir den ganzen Tempel voll“, sagte Riora. „Übrigens, Walküre, du schuldest mir eine Glaskuppel.“ Riora wandte sich um. „Scribe? Wo bist du? Scribe!“ Und weg waren sie.
„Kannst du uns denn translozieren?“, fragte Kaderin.
„Natürlich“, krächzte er, aber es gelang ihm nur mit äußerster Mühe, sie in ihre Wohnung zurückzubringen.
Dieser Sturkopf von einem Vampir! Will nicht zugeben, wie schwach er ist.
Im Schlafzimmer gaben seine Beine nach. Als sie ihm zum Bett half, ließ er sich rücklings hineinfallen, hielt aber ihr Handgelenk fest umklammert. „Du gehst nicht ohne mich.“
„Dein Schwertarm ist verletzt. Du wirst dich in einem Kampf nicht verteidigen können.“
„Du hast jetzt tausend Jahre gewartet, da kannst du es auch noch zwei weitere Tage aushalten.“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich würde dich in einen Krieg mitnehmen, in dem du der Feind bist.“
„Dieses Risiko gehe ich ein, Katja. Unternimm nichts, bis ich genesen bin.“
Sie zögerte. Dann gab sie nach. „Ich werde nicht gehen, ehe du wieder gesund bist.“
Er nickte und verlor augenblicklich das Bewusstsein.
Sie meinte, was sie gesagt hatte. Er würde sie unter gar keinen Umständen begleiten. Ein Vampir auf einem Schlachtfeld mit einer Armee von Walküren? Nicht, wenn sie es verhindern konnte. Wahrscheinlich würden ihre eigenen Schwestern versuchen, ihn umzubringen.
Aber sie würde ihn nicht verlassen, solange er sie brauchte. In den letzten beiden Nächten hatte er sich ihr gegenüber als wahrer Held erwiesen – wenn er sie nicht gerade in Ketten gelegt hatte. Er hatte ihr die Teilnahme am Wettkampf ermöglicht, als alles für sie vorbei zu sein schien. Er hatte dafür gesorgt, dass sie ins Finale
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