Kussen hat noch nie geschadet
wollte kleine Kinder unterrichten.« Er verstummte und zuckte mit einer Achsel. »Stattdessen mussten wir ihre Beerdigung organisieren und ihre Sachen in Kartons packen.«
Spontan umschlang Autumn seine Taille und schmiegte die Wange an seine Brust. »Ich weiß, wie es ist, das Leben eines Menschen in Kartons zu verpacken. Es tut mir leid.«
Er stand stocksteif da. »Sie war meine kleine Schwester, und ich hätte auf sie aufpassen müssen. Unser Dad ist gestorben, als sie zehn war, und sie war auf mich angewiesen. Ich hab ihr bei den Hausaufgaben geholfen und ihr ihr erstes Ballkleid gekauft. Es war meine Aufgabe, sie zu beschützen. Das hab ich nicht getan.«
Das war ihr alles neu. Dass seine Schwester gestorben war, hatte sie zwar gewusst, aber nichts über die näheren Umstände. »Es war nicht deine Schuld, Sam.«
»Das weiß ich inzwischen auch, doch ich hab lange Zeit mit großen Schuldgefühlen und Aggressionen gekämpft.« Er streichelte ihr Haar, und sie spürte, wie sich seine Muskeln entspannten. »Ellas Verlust schmerzt mich noch immer sehr. Ich werde deshalb nach wie vor wütend, lasse es allerdings nicht mehr so oft an mir oder an anderen aus.«
Sie lauschte seinem kräftigen Herzschlag und drückte ihm einen Kuss auf die Brust. Sie hatte Sam für oberflächlich gehalten. Geglaubt, dass er nur an kurzzeitigem Vergnügen interessiert war, und das stimmte ja auch. Doch hinter dieser Fassade verbarg sich noch etwas anderes. Etwas, das er lieber vor anderen versteckte. Hinter dem charmanten Lächeln verbargen sich ein Junge, der tapfer den Platz seines Vaters eingenommen hatte, und ein disziplinierter Sportler, der hart trainiert hatte, um seine Ziele zu erreichen.
»Noch Jahre danach«, fuhr er fort, »hab ich viele rücksichtslose, unverantwortliche Dinge getan. Du warst ein Opfer dieser Rücksichtslosigkeit.«
Sie blickte auf in sein Gesicht, dessen Züge sehr angespannt waren.
»Es gibt in meinem Leben vieles, was ich bereue. Wofür ich mich schäme. Wahrscheinlich nicht annähernd so viel, wie angebracht wäre.« Er lächelte schief. »Aber ich bereue Las Vegas.«
Sie auch. Das Eigenartige daran war, dass sie es nicht mehr so sehr bereute wie noch vor Monaten.
»Ich bereue nicht, dich kennengelernt zu haben. Das kann ich nicht, denn sonst wäre Conner nicht auf der Welt, doch ich bereue, dass ich dich in einer Zeremonie geheiratet habe, an die ich zum großen Teil keine Erinnerung habe. Ich bereue, dass ich dir wehgetan habe. Ich bereue, dass ich nicht wie ein Mann gehandelt habe. Dass ich dich ohne ein Wort in einem Hotel habe sitzen lassen, mit nichts als einer Heiratsurkunde und einem Plüschhund. Das bereue ich sehr. Ich empfinde deshalb große Schuld und Scham.« Er legte die Stirn an ihre. »Es tut mir leid, Autumn. Es tut mir leid, dass ich dich im Caesar’s allein gelassen habe.«
Zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, nahm er das L-Wort in den Mund. Zum ersten Mal, seit sie ihr zerbrochenes Herz wieder gekittet hatte, verspürte sie so etwas wie Rührung. Sie ließ die Hände sinken und wich einen Schritt zurück. Die Entschuldigung, auf die sie so lange gewartet hatte, konnte ihr sorgfältig wieder aufgebautes Leben aufs Neue zerstören. »Bitte nicht.« Bitte lass es mich nicht vergessen. Bitte mach es nicht wieder gut. Bitte bring mich nicht dazu, dich wieder zu lieben. »Ich will dich nicht so sehr mögen.«
»Dafür ist es zu spät.« Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel. »Das Mittagessen heute in deinem Büro hat mir genau gezeigt, wie sehr du mich magst.«
»Das war nur Sex. Nichts weiter.« Sie schüttelte den Kopf und hob abwehrend die Hand. »Keine emotionale Bindung.«
Er senkte den Kopf, um ihr in die Augen zu sehen. Sein Lächeln war jetzt verschwunden. »Du glaubst noch immer nicht, dass du über das hinwegkommst, was in Las Vegas passiert ist, stimmt’s?«
Konnte sie das? »Ich weiß nicht. Ich bin nicht sehr gut im Vergeben und Vergessen.« Und wenn sie ihm doch vergab und alles vergaß, wie dumm würde sie dastehen, wenn es ein zweites Mal passierte? Wenn es wieder geschah? Sam war ein Eishockeystar. Sein Leben war glamourös. Ihres nicht. »Das war eine Zeit in meinem Leben, an die ich lieber nicht zurückdenke.« Auch wenn es manchmal unmöglich war.
»Erzähl mir davon.«
»Warum?«
»Weil man eben doch daran zurückdenkt, und ich muss es genauso dringend hören, wie du mir davon erzählen musst.« Er griff nach ihr. »Und weil ich mich das schon immer
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