Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.
also tu mir die Liebe und neige dein Haupt ein wenig!«
»Zuerst mußt du mir noch einmal Blödiana zeigen«, sagte der König, »denn ich will sehen, ob deine Methode auch wirklich vollkommen ist …«
Der Alte zeigte ihm Blödiana durchs Schauglas der Black Box. Der König schaute und schaute und sagte schließlich:
»Die Beschreibung in dem alten Wälzer ist stark übertrieben. Sie ist nicht übel, gewiß, doch bei weitem nicht so schön, wie die Chroniken sagen. Auf Wiedersehen, Alter …«
Und er wandte sich zum Gehen.
»Was tust du? Wohin, Wahnsinniger?!« schrie der Alte und griff nach dem Hammer, denn der König war schon beinahe zur Tür hinaus.
»Überall hin, nur nicht in die Box!« sagte Voluptikus, doch genau in diesem Moment platzte der Traum unter seinen Füßen wie eine Seifenblase, und er fand sich im Vestibül des Palastes wieder und erblickte den bitter enttäuschten Perfidolin, enttäuscht, weil der König so nahe daran gewesen war, in der Black Box eingeschlossen zu werden, aus der ihn der Thaumaturg und Apotheotiker der Krone niemals wieder herausgelassen hätte …
»Hör zu, mein Seeleningenieur«, sagte der König, »in deinen Träumen mit Prinzessinnen gibt es zu viele Schwierigkeiten. Entweder verschaffst du mir jetzt einen, in dem ich Sinnesfreuden nach Herzenslust genießen kann – ohne Tricks und Fisimatenten – oder du verschwindest mir sofort aus dem Palast, und zwar mitsamt deinen Schränken!«
»Herr und Gebieter!« antwortete Perfidolin. »Ich habe den richtigen Traum für Euch, von bester Qualität und maßgeschneidert. Probiert ihn nur und Ihr werdet sehen, wie recht ich habe!«
»Was ist das für ein Traum, den du so anpreist?« fragte der König.
»Dieser hier, Majestät!« sagte der Apotheotiker der Krone und deutete auf das kleine Perlmuttäfelchen mit der Inschrift: »Mona Lisa oder das Labyrinth der süßen Unendlichkeit«.
Und bevor der König ja oder nein sagen konnte, griff Perfidolin nach dem Stecker, der an der Uhrkette des Monarchen hing, und er tat es rasch, denn er sah, daß die Dinge schlecht standen: Voluptikus war der ewigen Gefangenschaft in der Black Box entgangen, ohne Zweifel, weil er zu wenig sensibel war, um den Reizen der bezaubernden Blödiana für immer zu erliegen.
»So warte doch«, sagte der König. »Ich will es selbst tun.« Er steckt den Stecker hinein und schlüpft ins Innere des Traumes, nur um zu sehen, daß er immer noch er selbst, Voluptikus, ist, im Vestibül des Palasts stehend, Perfidolin den Kybernerianer an seiner Seite, der ihm erklärt, daß »Mona Lisa« mit Abstand der liederlichste und ausschweifendste aller Träume sei, weil sich in ihm die Unendlichkeit des schöneren Geschlechts eröffne; Voluptikus hört zu, steckt den Stecker hinein und schaut sich nach Mona Lisa um, denn er spürt bereits heftiges Verlangen nach ihren holdseligen Liebkosungen, doch im nächsten Traum befindet er sich immer noch im Vestibül des Palasts mit dem Hofthaumaturgen an seiner Seite, also schaltet er sich ungeduldig in den nächsten Traum ein, doch es ist wieder dasselbe, das Vestibül, die Schränke, der Seeleningenieur und er selbst. »Ist dies nun ein Traum oder nicht?« ruft er, stöpselt ein, und da sind wieder das Vestibül, die Schränke und der Kybernerianer; noch einmal, wieder dasselbe – und noch einmal, und noch einmal, immer schneller. »Wo ist Mona Lisa, du Schurke?!« schreit er und zieht den Stecker heraus, um aufzuwachen – aber nein, er ist immer noch im Vestibül mit den Schränken! Rasend vor Wut stampft er mit dem Fuß auf und hastet von Traum zu Traum, von Schrank zu Schrank, von Perfidolin zu Perfidolin, doch jetzt kümmert ihn der Traum nicht mehr, er will nur zurück in die Wirklichkeit, zurück zu seinem geliebten Thron, zu den Hofintrigen und wüsten Gelagen, und er reißt den Stecker heraus, stöpselt ihn aufs Geradewohl wieder ein, zieht ihn erneut heraus … »Zu Hilfe!« ruft er, »der König ist in Gefahr!« und »Mona Lisa! He! Hallo!« während er von Panik erfaßt aufspringt, wild von einer Ecke in die andere jagt und den ganzen Traum verzweifelt nach einer Ritze absucht, doch vergeblich. Er verstand nicht, was da eigentlich vor sich ging, denn dazu war er zu begriffsstutzig, aber diesmal konnten ihn weder seine Stumpfsinnigkeit, noch seine Furchtsamkeit, noch sein übermäßiger Geiz mehr retten. Denn er war bereits in allzu viele Träume verstrickt, allzu viele hatten ihn bereits in ihre dichten
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