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Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Titel: Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel E. Mroz
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zu ihnen zurückzukehren, so hätte ich dadurch nichts erreicht, denn für sie wäre nichts leichter, als mich erneut mit ihrer hyperspeziellen Telekinese oder ähnlichen Tricks dorthin zu expedieren, wo der Pfeffer wächst. Und da ich das eingesehen hatte, mein lieber Bonhomius, entschloß ich mich, das Problem auf gänzlich andere Weise zu attackieren.‹ Mit diesen Worten, mein edler Retter, beendete der berühmte Konstrukteur Klapauzius seine Erzählung …«
    »Mehr hat er dir nicht gesagt? Aber das ist doch unmöglich!« rief Trurl aus.
    »Doch, doch, er hat noch viel mehr gesagt, mein edler Wohltäter, und gerade das war mein Unglück!« stammelte der Roboter verwirrt. »Als ich ihn fragte, was er jetzt zu tun gedenke, beugte er sich zu mir hinüber und sprach: ›Die Aufgabe erschien zunächst völlig hoffnungslos, aber dann fand ich die Lösung. Du, mein lieber Bonhomius, bist nur ein einfacher, nicht eben hochgebildeter Roboter, und daher will ich dich nicht mit Erklärungen aus dem Bereich der Arkankunst kybernetischer Kreation behelligen. Im Prinzip aber ist die Sache relativ einfach: Wir brauchen nur einen Apparat, d. h. einen Computer zu konstruieren, der in der Lage ist, ein digitales Modell von absolut allem zu konstruieren, was im Kosmos existiert. Einmal richtig programmiert wird er uns die MAximale STufe der ENtwicklung modellieren, die wir dann befragen können, um die Letzten Antworten zu erhalten!«
    ›Aber wie baut man solch einen Apparat?‹ fragte ich. ›Und wie können wir sicher sein, hochgepriesener Klapauzius, daß er uns nicht nach der ersten Frage dorthin schickt, wo der Pfeffer wächst, und zwar mit Hilfe eben der Hypersupertelekinese-Methode, die anzuwenden sich die MASTEN dir gegenüber erkühnten?‹
    ›Das überlaß nur mir‹, sagte er. ›Für mich ist das eine Kleinigkeit! Ich werde versuchen, hinter die Großen Geheimnisse der MASTEN zu kommen, und du, mein lieber Bonhomius, wirst den rechten Weg suchen, wie du deine angeborene Abscheu vor allem Bösen am besten einsetzen kannst!‹
    Ich brauche euch wohl nicht zu sagen, welche Freude mich erfüllte, als ich diese Worte hörte und mit welchem Eifer ich daran ging, Klapauzius bei der Ausführung seines Plans zu assistieren. Wie sich herausstellte, war diese digitale Apparatur nichts anderes als das berühmte Theotron, das Chlorian Theoreticus Klapostel kurz vor seinem tragischen Tod konstruiert hatte; eine Maschine, die buchstäblich das ganze Universum in ihren unzähligen Datenbanken gespeichert hatte. Klapauzius aber wollte die Bezeichnung nicht recht gefallen, er war unablässig auf der Suche nach immer ausgefalleneren Namen, um die Riesenmaschine zu taufen. Bald nannte er sie Pantokratorium, bald Ultimator-Omnigenerator, bald ONALCO (Ontologischer Allzweckcomputer). Aber Namen sind Schall und Rauch, wichtig war einzig und allein, daß die mächtige Maschine nach genau einem Jahr und sechs Tagen erbaut war. Sie hatte so gewaltige Dimensionen, daß wir sie aus Raumersparnisgründen in Ventralia, dem hohlen Mond der Tolpatschiden, unterbringen mußten; und wahrlich, eine Ameise an Bord eines Ozeanriesen hätte sich nicht verlorener vorkommen können als wir im Bauch dieses binären Behemoths, angesichts des endlosen Gewirrs von Kabeln und Magnetspulen, eschatologischer Transformatoren, hagiopneumatischer Perfektionatoren und Rektifikatoren des Bösen. Ich muß gestehen, meine Drahthaare standen mir zu Berge, der Ölfilter in meiner Kehle wurde staubtrocken, und meine Wolframzähne schlugen aufeinander, als mich Klapauzius ans zentrale Schaltpult setzte und mich allein ließ, Auge in Auge mit dieser unheimlichsten aller Maschinen. Wie Sterne am Firmament sah ich ihre Schalttafeln erglühen, überall flammten Warnzeichen auf: VORSICHT! HOCHSPANNUNGSTRANSZENDENZ! Die Zeiger der logischen und semantischen Potentiometer schlugen aus und pendelten sich bei Meßwerten mit Millionen Nullen ein, unter mir wogten bald ganze Ozeane dieser übermenschlichen und übermaschinellen Weisheit, gebannt in Parsecs von elektronischen Ganglien und Hektaren von Magnetfeldern, eine Weisheit, die derart allgegenwärtig war und mich so spürbar von allen Seiten umgab, daß ich mir in meiner schmachvollen Unwissenheit so klein und unbedeutend vorkam wie das winzigste Staubkorn. Einen Rest meines jäh zerstörten Selbstbewußtseins gewann ich erst dadurch zurück, daß ich mir meine lebenslange Liebe zum Guten und die Leidenschaft ins Gedächtnis

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