Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.
rief, die ich für Wahrheit und Gerechtigkeit bereits hegte, als ich noch am Rockzipfel meines väterlichen Kontrukteurs hing. Nachdem ich mir auf diese Weise Mut gemacht hatte, stellte ich mit stockender Stimme meine erste Frage: ›Wer bist du?‹
Ein heißer Windstoß begleitet von einem metallischen Knacken durchzog das gläserne Gebäude, und eine scheinbar leise Stimme – ein flüsternder Donner, der mir durch Mark und Bein ging – sprach:
›Ego sum Ens Omnipotens, Omnisapiens, in Spiritu Intellectronico Navigans, luce cybernetica in saecula saeculorum litteris opera omnia cognoscens, et cetera, et cetera.‹
Das Gespräch mußte in lateinischer Sprache geführt werden, ich will es dir jedoch, so gut ich kann, in ein geläufigeres Idiom übersetzen. Als ich die Stimme der Maschine vernommen und sie sich mir vorgestellt hatte, wuchs meine Furcht ins Unermeßliche, so daß ich absolut unfähig war, die Befragung fortzusetzen. Erst als Klapauzius zurückgekehrt war, die Transzendenz reduziert und die Omnipotenz auf ein Milliardstel ihrer ursprünglichen Spannung vermindert hatte, faßte ich wieder Mut und bat den Ultimator, ob er vielleicht so freundlich wäre, auf Fragen im Zusammenhang mit der Maximalen Stufe der Entwicklung und ihrer schrecklichen Geheimnisse zu antworten. Aber Klapauzius erklärte mir, so dürfe man keinesfalls verfahren; er gab dem Ontologischen Computer den Befehl, in seinen silbernen und kristallenen Tiefen einen einzelnen Bewohner des quadratischen Planeten zu modellieren und das Modell gleichzeitig mit einer gewissen Portion Schwatzhaftigkeit auszustatten; erst nachdem dieser Befehl in Windeseile ausgeführt war, konnte die eigentliche Arbeit beginnen.
Ich muß zu meiner Schande gestehen, daß ich immer noch vor Angst schlotterte und kein Wort herausbrachte, daher übernahm Klapauzius meinen Platz im Zentralen Schaltpult und begann:
›Wer bist du?‹
›Wie oft soll ich noch auf ein und dieselbe Frage antworten?‹ fragte die Maschine gereizt.
›Mir geht es darum, ob du ein Mensch oder ein Roboter bist‹, erklärte Klapauzius.
›Und was ist deiner Meinung nach der Unterschied?‹ ließ sich die Stimme aus der Maschine vernehmen.
›Wenn du fortfährst, Fragen mit Fragen zu beantworten, dann wird unser Gespräch bis zum Jüngsten Tag dauern!‹ knurrte Klapauzius unfreundlich. ›Du weißt doch ganz genau, worauf ich hinaus will! Los, rede endlich!‹
Obwohl ich zutiefst erschrocken war, wie Klapauzius mit der Maschine umsprang, schien er den richtigen Ton getroffen zu haben, denn sie antwortete:
›Manchmal bauen Menschen Roboter, und manchmal Roboter – Menschen; ob man nun mit Metall oder Protoplasma denkt, ist letztlich gleichgültig. Ich kann beliebige Formen, Dimensionen und Gestalten annehmen, genauer gesagt, das tat ich früher einmal, denn heute gibt sich niemand von uns mehr mit solchen Kleinigkeiten ab.‹
›Ach, wirklich?‹ gab Klapauzius zurück. ›Und weshalb liegt ihr den ganzen Tag und tut gar nichts?‹
›Und was sollten wir denn tun?‹ entgegnete die Maschine. Klapauzius schoß die Zornesröte ins Gesicht, er beherrschte sich jedoch und sagte:
›Woher soll ich das wissen? Wir auf unserer niedrigeren Entwicklungsstufe tun eine Menge Dinge.‹
›Das haben wir früher auch getan.‹
›Aber jetzt nicht mehr?‹
›Nein.‹
›Weshalb?‹
Dieser Frage wich das digitale Modell zunächst aus, indem es behauptete, es habe bereits sechs Millionen derartiger Befragungen über sich ergehen lassen, die aber weder ihm noch den Fragenden auch nur den mindesten Nutzen gebracht hätten. Nachdem Klapauzius jedoch die Transzendenzspannung erhöht und den Schwatzhaftigkeitsregler etwas aufgedreht hatte, fand sich die Maschine zu einer Antwort bereit:
›Vor etwa einer Milliarde Jahren waren wir eine Zivilisation wie jede andere. Wir glaubten an die Seelenwanderung, an die Jungfräuliche Matrix, an den mystischen Feedback zwischen einem jeden Wesen und dem Großen Programmierer, und was dergleichen Dinge mehr sind. Dann aber kam die Ära der Skeptizisten, Empirizisten und Akzidentalisten, sie gelangten in nicht mehr als neun Jahrhunderten zu dem Schluß, daß es Niemanden Da Oben gibt und daß die Dinge folglich nicht aufgrund Höherer Zwecke oder Pläne geschehen, sondern einfach so passieren.‹
›Was soll das heißen, einfach so?‹ rief ich unwillkürlich aus.
›Wie du weißt, gibt es bucklige Roboter‹, erwiderte die Stimme aus der
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