Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.
großartig, aber ich unterdrücke Staunen und Bewunderung zugunsten der Reflexion, denn zunächst einmal möchte ich wissen, wieso und weshalb ich alles großartig finde, und zweitens, was für ein Sinn und Zweck damit verbunden sein soll. Aber wer bist du überhaupt, daß du es wagst, mich durch Fragen aus meiner Kontemplation zu reißen? In welcher Beziehung steht denn deine Existenz zu meiner? Ich spüre, irgend etwas in mir möchte, daß ich auch dich bewundere, aber die Vernunft gebietet mir, mich diesem inneren Drang zu widersetzen, denn es könnte ja eine Falle sein, die man mir gestellt hat.«
»Was deine Existenz angeht«, sagte Trurl unvorsichtig, »so verdankst du sie mir, ich habe dich nämlich geschaffen, und zwar in der erklärten Absicht, daß zwischen dir und der Welt vollkommene Harmonie herrschen möge.«
»Harmonie?« sagte der Kontemplator, sämtliche Rohre der Teleskopaugen schwenkten auf Trurl und nahmen ihn fest ins Visier. »Harmonie nennst du das? Und weshalb habe ich drei Beine? Warum ist meine linke Seite aus Kupferblech, die rechte aber aus Eisen? Weshalb habe ich fünf Augen? Antworte, du mußt es ja wissen, wenn du mich aus dem Nichts geschaffen hast, großer Meister!«
»Drei Beine, weil du auf zweien nicht sicher stehen könntest, vier hingegen wären reine Materialverschwendung«, erklärte Trurl. »Fünf Augen, nun, mehr sauber geschliffene Linsen konnte ich einfach nicht auftreiben, und was das Blech angeht, mir war gerade das Eisen ausgegangen, als ich dir deine äußere Hülle verpaßt habe.«
»Ihm ist das Eisen ausgegangen!« fauchte der Kontemplator höhnisch. »Du willst mir also einreden, all das sei ganz spontan, ohne höhere Veranlassung geschehen, eine bloße Verkettung der Umstände, ein Werk des blinden Zufalls? Und diesen hanebüchenen Blödsinn soll ich glauben?«
»Ich, als dein Konstrukteur und Erbauer, sollte doch wohl wissen, wie es war!« sagte Trurl, leicht verärgert über den anmaßenden Ton seines Gegenübers.
»Ich sehe hier zwei Möglichkeiten«, antwortete der umsichtige Kontemplator. »Erstens, du lügst wie gedruckt. Diese Hypothese wollen wir jedoch einstweilen als nicht verifizierbar beiseite lassen. Zweitens, du sagst subjektiv die Wahrheit, aber diese Wahrheit, die sich ja lediglich auf dein erbärmliches Wissen stützen kann, ist in Relation zu einem höheren Wissen die reinste Unwahrheit.«
»Das mußt du schon etwas genauer erklären.«
»Was dir als zufällige Verknüpfung von Umständen erscheint, braucht nicht zufällig zu sein. Du denkst wahrscheinlich, es sei ohne jede tiefere Bedeutung, daß dir das Eisen ausgegangen ist, doch woher willst du wissen, ob nicht eine Höhere Notwendigkeit für eben diesen Mangel gesorgt hat? Daß gerade Kupferblech vorhanden war, erschien dir als ganz normale Sache, obwohl doch gerade hier das Walten der Prästabilierten Harmonie förmlich mit Händen zu greifen ist! Desgleichen muß hinter der Anzahl meiner Augen und Beine ein tiefes Mysterium verborgen liegen, das diesen Zahlen, ihren Relationen und Proportionen, im Rahmen einer höheren Ordnung ihre eigentliche Bedeutung verleiht. Machen wir die Probe aufs Exempel: Drei und fünf – beides sind Primzahlen. Und doch kann man die eine durch die andere teilen, verstehst du? Drei mal fünf ist fünfzehn, also eins und fünf, die Quersumme macht sechs, sechs durch drei gibt zwei, schon haben wir die Anzahl meiner Farben, denn zur einen Hälfte bin ich ein kupferner, zur anderen aber ein eiserner Kontemplator! Und diese präzise Relation soll ein Produkt des Zufalls sein? Einfach lächerlich! Ich bin eben ein Wesen, das deinen winzigen Horizont bei weitem übersteigt, du armseliger Blechschlosser! Wenn überhaupt ein Körnchen Wahrheit daran ist, daß du mich erbaut hast, woran ich nebenbei bemerkt mehr als ernste Zweifel hege, so warst du in diesem Fall nur das ahnungslose Werkzeug Höherer Gesetze, ich aber – ihr eigentliches Ziel. Du bist nur ein zufälliger Regentropfen, ich bin die Blume, deren buntleuchtende Blütenpracht die ganze Schöpfung lobpreist; du bist ein morscher Zaunpfahl, der einen schmalen Schatten wirft, ich aber bin die strahlende Sonne, auf deren Geheiß du das Licht von der Finsternis trennst; du bist ein blindes Werkzeug, geführt von Allerhöchster Hand, die mich ins Leben rief! Völlig vergebens suchst du, meine erhabene Person zu erniedrigen, indem du meine Fünfäugigkeit, Dreibeinigkeit und Zweifarbigkeit als simple Folge
Weitere Kostenlose Bücher