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Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Titel: Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel E. Mroz
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Nacht wurde Trurl wiederholt durch lautes Freudengeschrei aus dem Schlaf gerissen, aber dieser Lärm klang wie Musik in seinen Ohren. »Na also«, sagte er sich zufrieden, »sie sind glücklich, nicht aber zwangsweise, das heißt, weil sie entsprechend vorprogrammiert sind, sondern einzig allein auf stochastische, ergodische und probabilistische Weise. Jetzt gibt es nichts mehr, woran Klapauzius herummäkeln könnte. Der Sieg ist unser!« Mit diesem angenehmen Gedanken fiel er in süßen Schlaf und erwachte erst am nächsten Morgen.
    Da Klapauzius nicht zu Hause war, mußte er bis zum Mittag auf ihn warten, dann aber führte er ihn voller Stolz auf das felizitologische Versuchsgelände. Klapauzius inspizierte die Häuser mit ihren Zäunen, Türmchen und Aufschriften, besuchte die Amtsgebäude und zog dabei auch ein paar Abgeordnete und Bürger ins Gespräch. In einer Seitenstraße versuchte er sogar, einem etwas schmächtig geratenen Bürschchen die Zähne einzuschlagen, doch sogleich packten ihn drei andere beim Schlafittchen, ließen ein melodisches, langgezogenes Hau-Ruck ertönen und warfen ihn mit geübtem Griff zum Stadttor hinaus. Obwohl sie sorgfältig darauf achteten, ihm nicht gleich das Genick zu brechen, war er doch übel zugerichtet, als er sich aus dem Straßengraben hochrappelte.
    »Na?« sagte Trurl, der sich den Anschein gab, als habe er die Demütigung des Freundes völlig übersehen. »Was meinst du dazu?“
    »Ich komme morgen wieder«, antwortete Klapauzius.
    Trurl kommentierte diesen schlecht getarnten Rückzug mit nachsichtigem Lächeln. Gegen Mittag des folgenden Tages begaben sich die beiden Konstrukteure erneut in die Siedlung und fanden dort große Veränderungen vor. Sie wurden von einer Patrouille gestoppt, und der ranghöchste Offizier herrschte Trurl an: »Was soll das heißen, so traurig in die Gegend zu glotzen? Hörst du nicht die Vöglein singen? Siehst du nicht die Blumen blühen? Kopf hoch!«
    Ein zweiter, rangniederer, fügte hinzu:
    »Brust raus! Bauch rein! Ein bißchen munter und fröhlich, wird’s bald? Lächeln!«
    Der dritte sagte nichts, sondern stieß dem Konstrukteur die gepanzerte Faust ins Kreuz, daß es nur so krachte. Dann wandte er sich zusammen mit den anderen Klapauzius zu, der keinerlei Ermunterungen mehr abwartete, sondern sich plötzlich von ganz allein kerzengerade hielt und der strammen Haltung noch eine gebührend freudige Miene hinzufügte, so daß sie ihn in Frieden ließen und sich entfernten. Diese Szene hatte beim ahnungslosen Schöpfer der neuen Ordnung augenscheinlich einen tiefen Eindruck hinterlassen, denn er gaffte mit offenem Mund auf den großen Platz vor dem Amtsgebäude von Felizia, wo bereits Hunderte von Bürgern im Karre angetreten waren und auf Kommando vor Freude brüllten.
    »Unserem Leben – ein dreifaches Heil!« schrie ein alter Offizier mit Epauletten und einem riesigen Federbusch auf dem Helm, und die Menge gab donnernd zurück:
    »Heil! Heil! Heil!«
    Bevor Trurl auch nur ein einziges Wort sagen konnte, wurde er von starker Hand gepackt und fand sich zusammen mit Klapauzius in einer der Marschkolonnen wieder, wo sie bis zum späten Abend geschliffen und gedrillt wurden. Der Hauptzweck des Exerzierens schien darin zu bestehen, sich selbst das Leben möglichst schwer zu machen, dem Nebenmann aber nur Gutes zu tun, alles natürlich im Rhythmus von »Links, Zwo! Drei! Vier!«. Die Ausbilder waren Felizisten, auch unter der Dienstbezeichnung »Verteidiger der Allgemeinen Glückseligkeit« bekannt, weshalb man sie im Volksmund kurz »V-Leute« nannte; sie wachten mit Argusaugen darüber, daß jeder für sich und alle miteinander vollständige Zufriedenheit und allgemeines Wohlbehagen an den Tag legten, was sich in der Praxis als unsäglich mühsam erwies. Während einer kurzen Pause beim felizitologischen Exerzieren gelang es Trurl und Klapauzius, sich davonzustehlen und hinter einer Hecke zu verbergen, dann suchten sie Deckung im nächsten Straßengraben und robbten wie unter schwerem Artilleriefeuer bis zu Trurls Haus, wo sie sich, um absolut sicherzugehen, ganz oben auf dem Dachboden einschlossen. Keine Sekunde zu früh, denn schon waren Patrouillen ausgeschwärmt, die sämtliche Häuser in diesem Gebiet durchkämmten, auf der Suche nach Unzufriedenen, Trübsinnigen und Traurigen, die man gleich an Ort und Stelle im Laufschritt beglückte. Während Trurl auf seinem Dachboden einen ellenlangen Fluch nach dem anderen ausstieß und sich

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