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Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Titel: Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel E. Mroz
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Tat ragten am Horizont bereits die Stahlträger der neunundvierzigsten Computergeneration auf; der Lärm dieser ungeheuren geistigen Anstrengung, die darin bestand, das Problem weiter und weiter zu geben, hätte mühelos das Getöse eines Wasserfalls übertönt. Denn gerade das macht ja die Intelligenz aus, einem anderen die Arbeit zu übertragen, die man eigentlich selbst tun sollte. Blinder Gehorsam gegenüber Programmen und elektronischen Vorschriften ist daher nur eine Sache für digitale Dummköpfe und Duckmäuser. Nachdem er die Natur des Phänomens so klar erfaßt hatte, setzte sich Trurl auf einen Baumstumpf, der wie unzählige andere ein Relikt der expansiven Computerrevolution war, und gab einen tiefen Seufzer von sich.
    »Sollte dieses Problem«, fragte er, »tatsächlich zu den unlösbaren gehören? Aber dann hätte mir mein Computerium den Beweis seiner Unlösbarkeit erbringen müssen, woran es natürlich infolge seiner allseitigen Intelligenzsteigerung nicht im Traum gedacht hat, denn es ist auf die schiefe Bahn verstockter Faulheit geraten, ganz wie es Meister Cerebron einstmal prophezeit hat. Ha! Welch ein beschämendes Schauspiel – ein Intellekt, der intelligent genug ist, um zu erkennen, daß er selbst keinen Finger zu rühren, sondern nur ein geeignetes Werkzeug herzustellen braucht, das Werkzeug wiederum besitzt genug Verstand, um die gleiche Überlegung anzustellen, und so geht es weiter bis in alle Ewigkeit! Oh, ich erbärmlicher Stümper, keinen Liquidator, sondern einen Delegator des Problems habe ich gebaut! Sollte ich meinen digitalen Intelligenzlern dieses Handeln per procura einfach verbieten, sogleich würden sie sich hinter der scheinheiligen Schutzbehauptung verschanzen, all dieser ungeheure maschinelle Aufwand sei mit Rücksicht auf die gigantischen Dimensionen der Aufgabe einfach unerläßlich. Welch eine Antinomie!« stöhnte er, ging nach Hause und setzte einen Demontagetrupp in Marsch, der das ganze Gelände innerhalb von drei Tagen mit Preßlufthämmern und Brecheisen säuberte.
    Nach schweren inneren Kämpfen faßte Trurl den Entschluß, sein methodisches Vorgehen erneut zu ändern: »In jedem Computer müßte ein Aufseher stecken, ein Kontrolleur von allesüberragender Intelligenz, mit anderen Worten, ich selbst, aber ich kann mich ja weder vervielfältigen noch in Stücke reißen, obwohl … zwar kann ich mich nicht dividieren, doch warum nicht einfach multiplizieren?! Heureka!«
    Folgendermaßen ging er vor: Im Inneren eines neuartigen Spezial-Digitalrechners brachte er eine perfekte Kopie seiner selbst unter, keine physikalische natürlich, sondern eine binär codierte, mathematisierte, die sich von nun an mit dem Problem herumschlagen sollte; des weiteren berücksichtigte er in den Programmen die Möglichkeit einer unablässigen Multiplikation der multiplen Trurls und stattete das ganze System mit einem Denkbeschleuniger aus, damit alle Operationen unter den wachsamen Augen zahlloser Trurls schnell wie der Blitz vonstatten gingen. Hochbefriedigt über den erfolgreichen Abschluß dieser schweren Arbeit richtete er sich auf, klopfte sich den Stahlstaub vom Overall und verließ fröhlich pfeifend das Haus, um sich bei einem Spaziergang in frischer Luft zu erholen.
    Gegen Abend kehrte er zurück und nahm unverzüglich den Trurl in der Maschine – d. h. sein digitales Duplikat – ins Gebet, denn er wollte wissen, wie die Arbeit dort vorankäme.
    »Lieber Freund«, antwortete ihm sein Doppelgänger durch den schmalen Schlitz der Lochstreifenausgabe, »es ist kein schöner Zug von dir, um Klartext zu reden, es ist sogar ausgesprochen unanständig, dich selbst in Gestalt einer digitalen Kopie, eines blutleeren Programmstreifens, in einen Computer zu stecken – nur weil du keine Lust hast, dir selbst den Kopf über ein schwieriges Problem zu zerbrechen. Da du mich jedoch so kalkuliert, simuliert und programmiert hast, daß ich bis ins letzte Bit ebenso klug bin wie du selbst, sehe ich nicht die geringste Veranlassung, weshalb ich dir Bericht erstatten sollte, wo es doch genausogut umgekehrt sein könnte!«
    »Ach, und ich habe wohl den ganzen Tag Däumchen gedreht, bin nur durch Wald und Flur spaziert?!« erwiderte Trurl verblüfft. »Aber selbst wenn ich wollte, zum eigentlichen Problem könnte ich dir nichts sagen, was du nicht selbst längst weißt. Im übrigen habe ich mich damit so herumgeplagt, daß mir fast die Neuronen geplatzt wären, jetzt bist du an der Reihe. Also

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