Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.
keine Gewißheit. Auch keine Beweise. Aber statistische Fluktuationen treten auch ohne Verstärker auf; früher hat es weder Matrizen noch Verstärker gegeben, und die Drachen waren manchmal aufgetaucht. Einfach rein zufällig.«
»Scheint so …«, versetzte Trurl, »aber … sie tauchen erst dann auf, wenn er auf dem jeweiligen Planeten angekommen ist!«
»Gewiß. Doch es schickt sich eben nicht zu schreiben; immerhin ist er ein Fachkollege. Wir könnten höchstens selbst gewisse Schritte unternehmen.«
»Das können wir.«
»Also gut, auch ich bin dieser Meinung. Aber was tun?«
Hier vertieften sich beide berühmten Drakologen in eine Fachdiskussion, von der ein uneingeweihter Zuhörer nicht ein Wort begriffen hätte, weil er nur rätselhafte Wörter vernommen hätte, wie zum Beispiel »Drachenzähler«, »ungeschwänzte Transformation«, »schwache drakonale Reaktionen«, »Diffraktion und Diffusion von Drachen«, »harter Drache«, »weicher Drache«, »draco probabilisticus«, »labiles Basiliskenspektrum«, »Drache im Zustand der Erregung«, »Annihilation zweier Drachen mit entgegengesetztem Amok im Kraftfeld allgemeiner Kopflosigkeit« usw.
Ergebnis dieser durchdringenden Analyse der Erscheinung war eine Expedition, auf die sich beide Konstrukteure sehr sorgfältig vorbereiteten, ohne zu versäumen, ihr Schiff mit einer Menge komplizierter Apparaturen vollzuladen.
Insonderheit nahmen sie einen Diffusator sowie einen Mörser mit, der mit Antiköpfen schoß. Während der Reise, als sie nacheinander auf Enzien, Penzien und Coerulea landeten, wurde ihnen klar, daß sie außerstande sein würden, den gesamten von der Plage heimgesuchten Bereich durchzukämmen, selbst wenn sie sich für diesen Zweck in Stücke rissen. Einfacher wär es natürlich, wenn sie sich trennten, und nach der Arbeitsbesprechung begab sich denn auch jeder in seine Richtung. Klapauzius arbeitete lange auf Prestopondien, wo ihn Kaiser Ruhmreich Ampetricius engagiert hatte, welcher auch bereit war, ihm seine Tochter zur Frau zu geben, nur um die Monstren loszuwerden. Drachen von maximaler Wahrscheinlichkeit drangen sogar bis in die Straßen der hauptstädtischen Burg vor, und von virtuellen wimmelte es geradezu allenthalben. Ein virtueller Drache »existiert« zwar nicht, würde ein naiver Durchschnittsmensch sagen, d. h. er kann in keiner Weise wahrgenommen werden, wie er auch nichts unternimmt, was seine Offenbarung hervorriefe, jedoch die von Kyber-Trurl-Klapauzius-Minog angestellte Berechnung, namentlich die Drako-Wellen-Gleichung, läßt deutlich erkennen, daß ein Drache aus dem konfigurativen Raum leichter in den realen Raum hinüberzuwechseln vermag als ein Kind aus dem Haus in die Schule. So könnte man also in der Wohnung, im Keller oder auf dem Dachboden jeden Augenblick bei allgemeinem Anstieg der Wahrscheinlichkeit einem Drachen begegnen, ja sogar einem Superdrachen.
Anstatt Drachen nachzujagen, was auch nicht viel eingebracht hätte, ging Klapauzius als echter Theoretiker methodisch an die Sache heran – stellte auf Plätzen und Squares, in Dörfern und Städten probabilistische Drakoreduktoren auf, und in kurzer Zeit waren die Ungeheuer eine große Seltenheit. Nachdem Klapauzius die Gebühren, das Ehrendiplom und die Wanderfahne kassiert hatte, startete er, um sich mit seinem Freund zu treffen. Unterwegs beobachtete er einen Planeten, von dem ihm jemand verzweifelt zuwinkte. In der Annahme, es könne Trurl sein, dem etwas Schlimmes widerfahren sei, landete Klapauzius. Jedoch die Zeichen stammten von den Bewohnern Trufloforas, den Untertanen des Königs Grellius. Sie huldigten zahlreichen Vorurteilen und dem primitiven Glauben, und ihre Religion, die Drakonistische Pneumatologie hieß, besagte, daß die Drachen als Strafe für Sünden erschienen und Seelen besäßen, die jedoch unsauber wären. Als er merkte, daß es zumindest unvernünftig wäre, sich mit den königlichen Drakologen auf Diskussionen einzulassen, denn die von ihnen benutzten Methoden beschränkten sich auf eine Beweihräucherung der heimgesuchten Stellen und auf die Verteilung von Reliquien, zog Klapauzius vor, das Terrain selbst zu sondieren. Den Planeten bewohnte augenblicklich nur ein Monstrum, aber eines von der scheußlichen Gattung der Jechiden. Er bot dem König seine Dienste an; der jedoch antwortete ihm nicht gleich frei heraus, da er sich ganz offensichtlich unter dem Einfluß der unsinnigen Doktrin befand, die die Ursachen der Entstehung von
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