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Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Titel: Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel E. Mroz
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ihres Schwanzes, was er fast mit dem Leben bezahlt hätte. Was gingen jedoch diese Errungenschaften die von den Drachen geplagten breiten Massen an, unter denen diese durch Trampeln, allgemeine Zudringlichkeit, Gebrüll und Flammen großen Schaden anrichteten und hie und da sogar Abgaben in Form von Mädchen erzwangen? Was ging die Unglücklichen an, daß Trurls Drachen als indeterministische, also nichtlokale Drachen sich zwar gemäß der Theorie, aber jedem Anstand hohnsprechend verhielten und daß diese Theorie sogar die Biegungen ihrer Schwänze voraussah, die Dörfer und Saaten vernichteten? Es war also nicht verwunderlich, daß die Allgemeinheit den spektakulären Erfolg Trurls verurteilte, statt ihn richtig einzuschätzen, und eine Gruppe ganz besonderer Ignoranten auf dem Gebiet der Wissenschaft recht schmerzhaft den hervorragenden Wissenschaftler verprügelte. Er jedoch wurde mit seinem Freund Klapauzius nicht müde weiterzuforschen. Daraus ging hervor, daß ein Drache in dem Grade existiere, der von seiner Laune und vom Zustand der allgemeinen Sättigung abhängt, ebenso, daß die einzige verläßliche Liquidationsmethode die Reduktion der Wahrscheinlichkeit auf Null oder gar auf negative Werte sei. Es ist daher begreiflich, daß diese Forschungen viel Mühe und Zeit verschlangen, derweil sich die Drachen, die sich in Freiheit befanden, immer mehr ausbreiteten und zahlreiche Planeten und Monde verwüsteten. Schlimmer noch, sie vermehrten sich sogar. Das gab Klapauzius die Gelegenheit, eine glänzende Arbeit zu veröffentlichen, nämlich »Die kovarianten Übergänge von Drachen zu Schlangen oder der spezifische Fall des Übergangs von physisch verbotenen zu polizeilich verbotenen Zuständen«. Diese Arbeit machte in der wissenschaftlichen Welt viel Furore, wo es noch um den berühmten Polizeidrachen laut war, mit dessen Hilfe tapfere Konstrukteure das Unglück ihrer unvergessenen Kollegen an dem bösen König Grausam rächten. Aber welche Verwicklungen entstanden, als bekannt wurde, daß ein Konstrukteur, ein gewisser Basilius, genannt der Emerdwaner, in der ganzen Milchstraße herumreiste und allein durch seine Gegenwart dort das Auftreten von Drachen verursachte, wo man sie früher nie zu Gesicht bekommen hatte. Wenn die allgemeine Verzweiflung und die nationale Katastrophe den Höhepunkt erreichten, erschien er bei dem Herrscher des jeweiligen Landes, um die Vernichtung der Monstren in Angriff zu nehmen, nachdem er zuvor das Honorar dafür in langen Verhandlungen bis zur Unmöglichkeit hochgeschraubt hatte. In der Regel gelang ihm auch die Vertilgung, obschon niemand wußte, wie er das zuwege brachte, denn er handelte einsam und im geheimen. Er verbürgte sich übrigens nur für eine statistische Garantie des Erfolges seiner Drakolyse, und als ihm ein Monarch Gleiches mit Gleichem vergalt und ihn mit Dukaten bezahlte, die auch nur statistisch gut waren, fluchte er furchteinflößend.
    Trurl und Klapauzius begegneten sich zu jener Zeit an einem heiteren Nachmittag, und es kam zwischen ihnen zu dem folgenden Gespräch: »Hast du schon von diesem Basilius gehört?« fragte Trurl.
    »Ja, das habe ich.«
    »Und was ist deine Meinung?«
    »Die Geschichte gefällt mir nicht.«
    »Mir auch nicht. Was denkst du darüber?«
    »Ich glaube, daß er einen Verstärker anwendet.«
    »Für die Wahrscheinlichkeit?«
    »Ja, oder auch räsonierende Systeme.«
    »Oder einen Drachengenerator.«
    »Du meinst das Drakotron?«
    »Ja.«
    »Tatsächlich, das wäre gut möglich.«
    »Aber weißt du«, rief Trurl, »es wäre auch eine Niedertracht. Das würde ja bedeuten, daß er diese Drachen sozusagen mitführt, aber nur im potentiellen Zustand, mit einer Wahrscheinlichkeit, die Null nahekommt.«
    »Und was meinst du, annulliert er sie dann mit einem nihilisierenden Retrokreator, oder verringert er nur zeitweilig die Wahrscheinlichkeit, um sich in der Zwischenzeit mit dem Gold aus dem Staube zu machen?«
    »Schwer zu sagen. Wenn er nur entprobabilisierte, dann wäre das eine noch größere Schurkerei, denn früher oder später müssen Null-Fluktuationen zur Aktivierung der Drakomatrize führen, und dann fängt die ganze Geschichte von neuem an.«
    »Gewiß, aber er ist dann mit dem Geld schon weg …«, murmelte Klapauzius.
    »Meinst du nicht, daß man in dieser Angelegenheit eigentlich an das Hauptamt für Drachenregulierung schreiben sollte?«
    »O nein, das nicht. Schließlich tut er das vielleicht gar nicht. Wir besitzen

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