Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Titel: Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel E. Mroz
Vom Netzwerk:
überwinden, auch kein Bargeld, mit dem sie überhaupt nichts anzufangen wüßten.
    »Und Jungfrauen verlangt der Drache nicht, mein Bester?« fragte er noch.
    »Nein, Herr. Früher tat er das. Vergangenes Jahr habe ich sie ihm mandel- und dutzendweise, je nachdem, wie sein Appetit war, zugeführt. Seit der Zeit jedoch, als bei uns ein Fremder erschien, das heißt ein Ausländer, Herr, und mutterseelenallein mit Schachteln und Apparaten durch die Berge schweifte …« Hier unterbrach der brave Mann seine Rede zögernd und betrachtete besorgt Gerätschaften und Waffen des Klapauzius, hauptsächlich aber das große Zifferblatt des Drachenzählers, der die ganze Zeit leise getickt hatte und seinen roten Pfeil auf dem weißen Blatt zucken ließ.
    »Bei ihm war alles genauso wie bei Hochwohlgeboren!« sagte er mit einer etwas zitternden Stimme. »Die gleiche Ausrüstung und überhaupt …«
    »Ein Gelegenheitskauf auf dem Markt«, sagte Klapauzius, in dem Bemühen, sein Mißtrauen einzuschläfern. »Aber sagt mir, meine Teuersten, wißt ihr vielleicht, was mit diesem Fremdling geschehen ist?«
    »Was aus dem da geworden ist? Nun, wissen tun wir es nicht mehr, Herr. Das heißt, es war so: Einmal, es wird wohl zwei Wochen her sein – stimmt, was, Gevatter Barbaron? Zwei Wochen, mehr nicht?«
    »Freilich, Ihr sagt die Wahrheit, die reine Wahrheit, warum nicht? Zwei Wochen werden es sein oder auch vier. Vielleicht auch sechs.«
    »Also! Er kam, betrat unser Haus, stärkte sich, ich will nichts sagen: Er hat gezahlt, wie es sich gehört, hat sich bedankt, es läßt sich wirklich nichts sagen, o nein, er hat sich umgeschaut, hat die Dielen beklopft, hat sich nach den Preisen vom vergangenen Jahr erkundigt, hat die Apparate auseinandergenommen, hat von den Zifferblättern etwas emsig abgeschrieben, daß ihm die Hände dabei flatterten, aber sorgfältig, eins nach dem anderen, in ein kleines rotes Buch, das er im Latz hatte, dann nahm er das – wie heißt es doch, Gevatter? Das Ter … Temper … ich krieg’s nicht …«
    »Das Thermometer, Schulze!«
    »Freilich, na klar! Er nahm also das Thermometer und meinte, das wäre gegen die Drachen, und er steckte es hierhin und dorthin, schrieb wieder in seinem Heft, steckte die Apparate in den Sack, hievte den Sack auf den Rücken, verabschiedete sich und ging. Weiter wurde er nicht mehr gesehen. Doch da war noch etwas. In der gleichen Nacht gab es einen Knall und eine Explosion, jedoch in weiter Ferne. Als wäre es hinter dem Mydragower Berg gewesen – das heißt neben der Spitze, mit dem Sperber obenauf, dieser nämlich ist dem Grellius seiner, er heißt so nach unserem wohlgeborenen König, der andere, der von der anderen Seite, der so mehr angelehnt ist, wie eine Hinterbacke an die andere, heißt Pakusta, weil einmal ein …«
    »Berge sind nicht so wichtig«, sagte Klapauzius, »Ihr behauptet also, es hätte in der Nacht einen Knall gegeben. Was war dann?«
    »Dann – gar nichts. Als es knallte, zitterte das Haus, daß ich von der Pritsche herunterfiel. Aber ich bin es gewohnt, wenn sich die Drachin nämlich manchmal den Hintern am Haus reibt, dann wird man noch ganz anders durchgeschüttelt; und was der Bruder von Barbaron ist, den hat es in den Wäschekessel geworfen, weil die gerade wuschen, als die Drachin Lust bekam, sich an der Ecke zu kratzen …«
    »Doch zur Sache!« rief Klapauzius. »Es gab einen Knall – Ihr seid auf den Fußboden gefallen – und was weiter?«
    »Ich sage doch – gar nichts. Hätte es etwas gegeben, dann könnte man was sagen, aber wenn nichts war, dann gibt es auch nichts, worüber es sich lohnte, den Mund fußlig zu reden. Nicht, Gevatter Barbaron?«
    »Klar, so ist die Sache.«
    Klapauzius entfernte sich, hierauf zog die Trägerkolonne weiter zum Berg, gebeugt unter der Last, denn der Drachentribut war schwer. Klapauzius vermutete, daß sie ihn in der vom Drachen bestimmten Höhle niederlegen würden, doch er wollte nicht nach den Einzelheiten fragen, denn er schwitzte am ganzen Leibe von diesem Gespräch mit dem Schultheiß und seinem Gevatter. Übrigens hatte er zuvor noch gehört, wie einer der Einheimischen zum anderen sagte, daß der Drache »einen solchen Ort gewählt habe, wo er es nicht weit und auch wir es nicht weit haben –«.
    Er schritt auf dem Weg dahin, den er nach den Messungen des Drakoindikators wählte, welches Gerät er sich um den Hals gehängt hatte, auch den Zähler vergaß er nicht, doch der zeigte ununterbrochen

Weitere Kostenlose Bücher