Lachen mit Tränen in den Augen (German Edition)
total aufgedreht, abends wieder einsammelte und nach Hause brachte. Kyle machte der Job richtig Spaß, und er war so was von stolz, als Mark ihn fragte, ob er auch Bud, Sandy Ricks kleinen Bruder in Flipper spielen wollte, nicht nur als niedliche Synchronstimme, sondern ›in echt‹, wie Kyle sagte, als animierter Schauspieler. Na klar wollte er! Hugh Jackman und Russell Crowe, zieht euch warm an! Hier kommt Kyle Winslow!
Kyles herzliche und manchmal sehr ungestüme Art hatte Shainee damals sehr geholfen, mit den scheußlichen Nebenwirkungen der monatelangen Chemo klarzukommen. Sie hatte den Kleinen in ihr Herz geschlossen. Sie kuschelte oft mit ihm, malte mit ihm Bilder am Küchentisch, schaute mit ihm Kinderfilme im Fernsehen oder sah ihm beim Herumtoben im Garten zu. Kyle verwüstete mit seinem BMX Bike ihre Blumenbeete bis zum Totalschaden einiger Rosen. Aber Shainee, die neben mir auf der Verandaschaukel den Sommerabend genoss, nahm meine Hand, legte ihren Kopf an meine Schulter und lächelte still in sich hinein. Das sind die schönen und kostbaren Augenblicke, an die ich mich immer erinnern werde. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich das Gefühl, wir wären wirklich eine Familie, und wir wären glücklich.
Aber schon kurz nach Kyles Abreise zurück nach Sydney kam der nächste Schock: Sechs Wochen nach der Chemo fanden Amelia und ich neue Metastasen, im Gehirn, in der Lunge und in der Brust. Shainee nahm andere Mittel in einer derart hohen Giftkonzentration, dass diese ihrem Körper kaum noch zuzumuten waren. Das führte zunächst zu einem Stillstand, der jedoch nicht lange anhielt: Bei der nächsten Untersuchung entdeckten wir, dass jetzt auch schon die Knochen befallen waren.
»Was heißt das?«, fragte Mark in resigniertem Tonfall.
Amelia ersparte mir die Antwort: »Noch eine aggressive Chemo aus hochtoxischen Wirkstoffkombinationen, noch mehr Nebenwirkungen, noch mehr Schmerzen, was wiederum bedeutet: noch mehr unterstützende Medikamente.«
»Gibt es überhaupt noch eine Chance?«, fragte Mark, und er klang sehr verzweifelt.
»Nun ja, eine Chance gibt es immer ...« Amelia zögerte, sah mich an, dann wieder Mark, der in ihrem Sprechzimmer auf dem Stuhl neben mir herumrutschte. »Mark, ich will ehrlich sein. Die Prognose ist schlecht. Sehr schlecht. Wie schlecht wissen wir aber erst, wenn Tim und ich uns das nächste MRT ansehen.«
Shainee kämpfte wie eine Löwin, aber sie wurde immer schwächer, Woche für Woche, Tag für Tag. Mark und ich waren niedergeschlagen und ratlos, genau wie Amelia. Wir wollten Shainee so gern helfen, sie trösten, ihr Kraft schenken, ihre Schmerzen lindern – aber wie? Was konnten wir denn tun, außer sie in den Arm zu nehmen und mit ihr zu weinen, wenn ihr danach war!
Aber trotz allem hatte Shainee nie ihren Lebensmut verloren. Wie oft hatte sie gesagt: »Leben will ich! So schnell ich kann!« Als stünde der Zeitpunkt ihres Todes bereits unverrückbar fest, als wollte sie vorher noch so viel wie möglich erleben, um die Erinnerungen daran am Ende mitzunehmen.
Wir kochten oft gemeinsam, entweder Shainee und Mark oder sie und ich, während der andere auf dem Hocker am Küchentresen hockte und das Herumalbern am Herd mit dummen Sprüchen kommentierte. Mark und ich kauften stapelweise Kochbücher und hatten viel Spaß dabei, neue Gerichte auszuprobieren. Allerdings konnte Shainee sie nie wirklich genießen, denn riechen konnte sie die Bouillabaisse oder das Jambalaya, aber nicht schmecken. Für sie schmeckte das Essen immer bitter: »Wie eine Handvoll zerstoßener Tabletten.« Und der Rotwein, den Mark und ich zum Essen tranken, selbst der exzellente Corison aus dem Napa Valley, schmeckte sauer: »Wie eine Infusionstüte mit Chemo, absolut ekelig.« Trotz allem genoss sie es, mit Mark und mir zusammen zu kochen, zu schnippeln und zu rühren, zu lachen und zu schmusen. Das gab ihr ein Gefühl von ... na ja, Normalität. Die war eine Illusion, aber egal: Sie machte sie zufrieden.
Manchmal endeten solche Abende voller Sinnlichkeit in ihrem Bett. Shainee genoss die sanften Massagen mit Duftöl bei Kerzenschein, und wenn ich ihre nackte Haut streichelte und sie küsste, weckte das schöne Erinnerungen in mir: Ich dachte daran, wie es war, sie zu lieben, zärtlich und leidenschaftlich. Sie brauchte diese sanften Berührungen, dieses zärtliche Geflüster, diese Erinnerungen an unsere Liebe. Sie brauchte die Entspannung, die ich ihr anders nicht mehr schenken konnte,
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