Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lady Punk - Roman

Lady Punk - Roman

Titel: Lady Punk - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beltz & Gelberg
Vom Netzwerk:
unscheinbar aussahen, fiel Terry auf, als sie über die Straße schlenderte. Man sah sich nach ihr um.
    Terry wusste, dass es wegen ihrer Kleidung war. Kein Mensch würde sich nach ihr umdrehen, wenn sie, nur von Wasser und Seife berührt, herumlaufen würde. Terry fand, sie hatte ein Gesicht wie ein Karamellpudding, und auch einen Pudding musste man dekorieren, um bei den Leuten Appetit anzuregen.
    Terry war nicht dick. Sie war eben kräftig. Sie selber fand sich zu kräftig. Für ihr Alter war sie auch zu groß, aber das machte nichts, so sah sie eher nach siebzehndreiviertel aus. Wo das alles mit Terry hinsollte, wusste sie nicht, doch sie ahnte es, wenn sie sonntagabends die Sportschau und dort ein Baseballspiel sah. Neben allem, was C. W. Burger gewesen war, war er auch noch Baseballspieler gewesen, und Terry schlug voll in seine Richtung. Die Mutter sah es mit Schrecken. Und allein dadurch konnte Terry sich selber akzeptieren. Sie liebte C. W. Burger und seinen Anteil an ihr.
    Terry vertrat den Standpunkt, was man nicht verstecken kann, sollte man erst recht herausstellen. Sie stellte alles heraus, was sie hatte. Sie zeigte ihre Beine, ob im Minirock oder in knallengen Jeans. Sie hatte Busen und sie zeigte ihn. Sie verschmähte BHs. Sie hüllte sich in Farben, und wenn sie sich bissen, dann erst recht. Als Terrys Mutter zwei verschiedene Rots an ihr entdeckte, die nur zufällig zusammengekommen waren, und ihr erklärte, dass das nicht ginge, trug Terry von da an mit Vorliebe alle Rottöne, und je bissiger, desto besser.
    Heute trug Terry eine neue Kombination. Sie hatte die Farbzusammenstellung erst vor wenigen Tagen an einer Frau vor der Gedächtniskirche gesehen und war hingerissen. Die Frau musste Schauspielerin gewesen sein oder was Ähnliches. Sie fiel auf und Terry wollte auch auffallen.
    »Ich habe was Tolles gesehen«, sagte Terry zu Lieschen. »Das muss ich haben.« Über Klamotten konnte Terry mit Lieschen reden. Es war auch fast das einzige Thema geblieben, nach all den Jahren, in denen mehr und mehr Themen einfach tabu wurden.
    »Hast du nicht genug?«, fragte Lieschen.
    »Das ist was Einmaliges«, sagte Terry. »Komm mit mir. Wir beide gehen einkaufen.«
    Das lehnte Lieschen immer voller Schrecken ab. Sie gab Terry das Geld. Lieschen kaufte auch viel für Terry. Sie hatte allmählich ein Gespür dafür, was Terry mochte. »Wenn ich denke, es ist zu verrückt, dann ist es richtig«, sagte Lieschen und Terry küsste Lieschen ab.
    In den letzten Wochen war Terry gern in Gelb-Grün als Kanarienvogel gegangen. Ihrem Gesicht hatte sie mit türkisem Lidschatten nachgeholfen. Frau Krosanke hatte den Kopf geschüttelt. »Wie einer aus der Geisterbahn siehst du aus«, sagte sie. »Wenn du meine Tochter wärest!«
    »Bin ich aber nicht«, sagte Terry.
    Heute war Terry die Schauspielerin von neulich. Sie hatte sich eine lila gefärbte Jeans besorgt und trug ein karminrotes Sweatshirt. Lila-rot war so ziemlich das Tollste, was Terry sich vorstellen konnte. Sie hatte sich einen Goldgürtel um die Hüften gebunden und ihr Gesicht sah dunkel geheimnisvoll aus. Schwarzes Kajal um Ober- und Unterlid und breitflächiges Rouge in Malve. Ihr Haar hatte sie nicht, wie die Schauspielerin, rot gefärbt. Terrys Mutter hatte tizianrote Haare und Terry konnte somit tizianrote Haare nicht ausstehen.
    Am linken Ohr trug Terry einen Ohrclip. Sie hatte nicht den Mut gehabt, sich Löcher bohren zu lassen. Terry hatte panische Angst vor Schmerzen.
    Dafür, dass Terry ihre Haare in einer einigermaßen langweiligen Farbe ließ, musste sie die Schauspielerin mit etwas anderem übertrumpfen. Ihr blieben nur noch die Füße übrig. Ihr war nicht allzu viel eingefallen. Zuerst wollte sie ihre Adidas mit Legwarmers kombiniert anziehen. Wegen der Hitze kam sie aber gar nicht in die Turnschuhe rein. Sie entschloss sich, gar keine Schuhe anzuziehen. Terry Burger ging barfuß über den Kudamm. Die Nägel der beiden kleinen Zehen hatte sie schwarz angemalt.
    Terry überlegte sich, wie sie sich fühlen sollte. Wie eine Schauspielerin war ihr nicht aufregend genug. Es war schön gewesen, ein Kanarienvogel zu sein. El Canario, hatte sie gedacht. Sie konnte nicht sagen, wie es war, El Canario zu sein. Wenn man es geschafft hatte, einer zu sein, dann wusste man es.
    Terry betrachtete sich im Schaufenster eines Geschäftes. Der Schatten, der von einem einsamen Baum auf die Scheibe fiel, verdunkelte etwas die Spiegelung. Terry erkannte sich aber. Es

Weitere Kostenlose Bücher