Lady Sunshine und Mister Moon
Milchkarton an die Lippen.
Der dritte Anruf kam von jemandem, die er nicht kannte, aber er war auch für Onkel Wolf. Also notierte Nik „Oscar Freeling“ und „OHS Industries“, und wartete darauf, dass der Mann seine Rufnummer angab.
„… und ich glaube, Sie werden Cleveland mögen, Wolf. Ich freue mich schon darauf, die Einzelheiten mit Ihnen zu besprechen. Rufen Sie mich so schnell wie möglich zurück unter 216 …“
Niks Hoffnungen zerbarsten in tausend Teile. Cleveland? Onkel Wolf wollte umziehen ?
Scheiße. Wie betäubt starrte Nik auf das angebissene Sandwich in seiner Hand. Was er bereits gegessen hatte, lag plötzlich wie ein Stein in seinem Magen.
Was für eine beschissene Überraschung! Aber ein bleierner Magen war nur der Anfang. Sein Leben verwandelte sich gerade in einen Haufen Müll.
Wolf nahm gleich zwei Treppenstufen auf einmal. Ja, dieser Tag hatte sich auf jeden Fall in einen Haufen Müll verwandelt. Dabei hatte alles so vielversprechend begonnen! Er war zwar an seinem freien Tag ins Büro gegangen, aber er hatte auf der zwanzigminütigen Fahrt dorthin genossen, was ihm am wichtigsten war: die Fahrt in seinem geliebten Auto mit seiner geliebt… – einer höchst begehrenswerten Frau.
Wolf verlangsamte seine Schritte, als er an Carlys Wohnung vorbeikam. Falls sie da drinnen war, war sie zu leise, um etwas zu hören. Mit einem unzufriedenen Brummeln ging er weiter bis zur nächsten Tür. Sie hatte sein Büro ungefähr fünfzehn Minuten vor ihm verlassen. Aber statt ein paar Minuten auf ihn zu warten, hatte sie sich lieber ein Taxi genommen.
Stundenlang waren sie mit den Formalitäten beschäftigt gewesen: den Aussagen bei der Polizei, einer medizinischen Untersuchung ihrer Wange und mit der Beantwortung von Fragen, die zu einer Menge weiterer Formulare geführt hatten, die alle unterschrieben werden mussten. Sein Anteil daran war schneller erledigt als ihrer. Aber er war nicht die ganze Zeit bei ihr geblieben, vor allem weil sie ihn die ganze Zeit weder beachtet noch mit ihm gesprochen hatte. Und nun war ihm heiß. Außerdem war er müde und nur noch wenige Sekunde davon entfernt, zu implodieren. Alles, was er wollte, waren ein kaltes Bier und zwanzig Minuten in einem dunklen, kühlen und vor allem ruhigen Raum. Er schloss die Wohnungstür auf, warf seine Schlüssel auf den Tisch im Flur und ging ins Wohnzimmer.
„Höchste Zeit, dass du nach Hause kommst, du Blödmann!“
Wolf hob den Kopf und ließ die Hand sinken, mit der er sich die Schläfen massierte. „Nik?“
Sein Neffe kam von der Terrasse herein und durchquerte mit großen Schritten den Raum. Wolf blieb nur ein kurzer Augenblick, um die Wut im Gesicht seines Neffen wahrzunehmen, bevor dieser sich vor ihm aufrichtete und ihn mit beiden Händen vor die Brust stieß.
„Hey!“ Wolf schubste instinktiv zurück. Er musste sich zusammenreißen! Nik durfte nicht zum Ventil für seine schlechte Laune werden. Wolf hatte es hier doch mit einem Jungen zu tun und nicht mit einem Mann, an dem er seine Aggressionen auslassen konnte. Er ließ die Hände sinken und vergrub sie vorsichtshalber in den Hosentaschen.
„Du verdammter Mistkerl!“, wiederholte Niklaus. „Ich hasse dich!“
Die Worte seines Neffen verletzten ihn unerwartet stark, aber er wollte den Teufel tun, als den Jungen merken zu lassen, dass er einen Volltreffer gelandet hatte. „Ich kann auch nicht gerade behaupten, dass ich dich in diesem Moment besonders mag. Können wir vielleicht später darüber sprechen? Ich hatte einen beschissenen Tag.“
„Ach, du glaubst, du hattest einen beschissenen Tag? Du ? Das ist großartig.“ Nik konnte sich nicht zurückhalten. Er lachte laut und bitter auf. „Du hast nicht die geringste Ahnung, was beschissen heißt“, behauptete er. „Scheiße, man hat dir deinen beschissenen Traumjob angeboten! Wie beschissen geht es denn noch?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, meinte er kategorisch: „Du kannst ihn nicht annehmen!“
„Du wagst es, mir vorzuschreiben, was ich kann oder nicht kann?“
Angst huschte über Niks Gesicht. Zum ersten Mal seit er bei seinem Onkel eingezogen war, sah er blanke Wut in Wolfs Augen aufflammen. Er wich vor Wolfs Armen zurück – er hatte genug Erfahrungen mit einigen „Freunden“ seiner Mutter gesammelt. Aber er reckte furchtlos das Kinn in die Höhe. „Ja“, sagte er mit aller Kraft, die er aufbringen konnte. „Ich verbiete es dir.“
Etwas sehr Gefährliches blitzte in dem eisigen
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