Lady Sunshine und Mister Moon
Höhe.
„Gut. Danke. Wenn Sie mich nach Hause bringen würden, wäre das sehr … aufmerksam.“ Sie klang, als ob sie fast an ihren Worten erstickt wäre. Wolfgang konnte ihren Gesichtsausdruck allerdings nicht erkennen; sie beugte sich gerade nach vorn, entfernte das Eis und betastete den Knöchel.
„Können Sie auftreten?“, fragte er den Scheitel ihrer seidig braunen Perücke.
Abrupt hob sie den Kopf, und ihre geschminkten blauen Augen sahen zu ihm auf. „Was wäre denn die Alternative? Wollen Sie mich etwa zum Auto tragen? Nicht nötig! Natürlich kann ich gehen.“
Es juckte ihn in den Fingern. Wie erlösend wäre es gewesen, sie sich einfach über die Schulter zu werfen! Er deutete mit dem Kinn zum Ausgang, der zur Parkgarage führte. „Los, kommen Sie.“
Carly zog erst in aller Ruhe ihren zweiten Schuh aus, bevor sie ihm folgte. Irgendwie gelang es ihr, ihm hinterherzuhumpeln, aber, du lieber Himmel, war sie langsam! Wolfgang geriet mehr als einmal in Versuchung, sie sich doch noch zu schnappen. Doch natürlich widerstand er ihr. Er wollte der wilden Seite der Jones’ nicht nachgegeben. Anders als bei seinem Vater und seiner Schwester Katharina war es glücklicherweise auch nur ein kurzer Impuls, und Wolfgang hatte ihn unter Kontrolle. Er ging also mit zusammengebissenen Zähnen vor Carly her, blieb ab und an stehen, um auf sie zu warten, bis seine Ungeduld wieder überhand gewann und das Spiel von vorn begann. Als sie seinen Wagen endlich erreichten, öffnete er ihr die Beifahrertür.
„Wow“, sagte Carly. Sie streichelte mit einer Hand über das Autodach und betrachtete den Wagen bewundernd. „So einen Schlitten hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut.“
Er ging nicht auf ihre Provokation ein. Etwas so Auffälliges wie sein aufgemotzter Straßenkreuzer sah ihm tatsächlich nicht ähnlich. Aber seinen Traum von einem klassischen Angeberschlitten hatte er sich erfüllt. Er strich mit den Fingern über eine der Flammen, die in Bordeaux, Rot, Orange und Gold über das schwarz glänzende Blech züngelten, und öffnete die Tür. „Steigen Sie ein.“
Sie warf einen Blick auf das makellose Innere des Wagens. Zögernd betrachtete sie den schmelzenden Eisbeutel in ihrer Hand. „Ich fürchte, ich mache alles nass.“
Das war das Intelligenteste, was er Carly Jacobsen je hatte sagen hören. Einen Augenblick lang war sie ihm beinahe sympathisch. Er betrachtete sie zum ersten Mal etwas genauer, seit sie im Schneckentempo vom Kasino hierhergekommen waren. Sie war nicht nur wieder sehr blass geworden, ihr standen inzwischen auch Schweißperlen auf Oberlippe und Stirn. Sie fühlte sich eindeutig nicht besonders gut. „Steigen Sie ein“, wiederholte er mit ungewohnter Freundlichkeit.
Sie tat, was er gesagt hatte, und lehnte den Kopf an den Sitz, während er auf der Fahrerseite Platz nahm. Mit der Hand strich sie über das graue Leder des Sitzes. „Was ist das? Ein Ford?“
„Ja.“ Er ließ den Motor an und lauschte befriedigt dem dumpfen Grollen der Maschine. Das Lächeln blieb auch dann noch auf seinen Lippen, als er sich ihr zuwandte. „Ein 1940er Coupé.“
„Cooles Auto.“ Sie hob den Kopf. Langsam, so als ob der Kopf mehr wog, als ihrem schlanken Nacken guttat. Und dann entfernte sie die Perücke. „Wie schön“, murmelte sie. Ihr kurzes blondes Haar lag platt an ihrem Kopf an, aber nachdem sie es mit den Fingern verwuschelt hatte, standen die feinen Spitzen wieder nach allen Seiten ab. Sie sah aus wie immer – wie ein leichtsinniges, sorgloses Showgirl.
Aber eines mit Schatten unter den Augen.
Auf dem kurzen Weg bis zu ihrer Wohnanlage herrschte eine überraschend kameradschaftliche Stille zwischen ihnen. Wolf begann schon zu glauben, dass ein Wunder geschehen und der Abend tatsächlich höflich enden würde.
Er ließ Carly aussteigen, bevor er den Wagen in die Garage brachte. Sie wartete allerdings immer noch auf den Aufzug, als er sie einholte, so langsam kam sie voran. Kaum waren sie im zweiten Stock ausgestiegen, ertönte auch schon ein Bellen aus der Wohnung am Ende des Ganges. Wolf entfuhr ein genervter Laut.
Im gleichen Moment endete der Waffenstillstand zwischen ihnen. Carly drehte sich um und nötigte ihn zu einem umständlichen Ausweichmanöver. Sie drückte ihr Kreuz durch und wurde ein paar Zentimeter größer; ihre blauen Augen verfärbten sich dunkel. Er entdeckte den bekannten Ausdruck in ihrem Blick, der nichts anderes sagte als „Du kannst mich mal“, während
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