Ladylike
Abenteuer zu haben sei.
Ein kleines Abenteuer? So richtig will er nicht anbeißen, oder meint er gar, ich würde ihm doch nur einen Korb geben? Trotzdem traue ich mich nicht, deutlicher zu werden. Wenn ich eine Abfuhr von ihm bekäme, wäre es mehr als peinlich. Also rette ich mich in belangloses Geplauder.
»Es wird schon viel früher dunkel, und heute nachmittag ist es richtig kühl; Anneliese hat seit einer Woche die Heizung angestellt. Eigentlich ist der Herbst meine liebste Jahreszeit.«
»Meine auch«, sagt Ewald, »jedenfalls bei gutem Wetter. Seltsam, daß wir noch vor ein paar Wochen in der Nordsee gebadet haben!«
Soll das eine erotische Anspielung sein oder ist das nicht eher eine peinliche Erinnerung? Ich sollte vielleicht auf die komische Seite hinweisen, aber natürlich ohne Ewalds Rolle ins Lächerliche zu ziehen. Anneliese hätte sicher die richtigen Worte gefunden, mir fällt leider nichts ein.
Zu allem Überfluß kommt jetzt die Rede auf die Enkelkinder. Ewald betont noch einmal, wie sehr er sich auf Yolas Kind freue. »Für die eigenen Kinder hatte ich – wie fast alle Väter – viel zuwenig Zeit, aber als Opa werde ich mich gewaltig ins Zeug legen. Ob du es glaubst oder nicht, neulich habe ich eine geschlagene Stunde in einem Spielzeugladen verbracht.«
Ein Thema, das mir nicht entgegenkommt. Nach dem Abendessen werde ich mich in mein Zimmer verziehen und lesen. Sollen die leidenschaftlichen Großeltern doch stundenlang auf den Kindermatratzen kauern und Gute-Nacht-Geschichten erzählen.
Gegen neun höre ich Ewalds Auto davonfahren. Damit ich nicht gar so neugierig wirke, lasse ich zehn Minuten verstreichen, bevor ich zu Anneliese hinuntergehe.
»Schlafen die Kleinen schon?« frage ich wie eine besorgte Tante.
»Zum Glück«, sagt Anneliese, »aber Ewald hat mal wieder nicht verraten, wohin er unterwegs ist. Kannst du dir vorstellen, daß man eine berufstätige, schwangere Tochter um diese Zeit noch besuchen will? Es wäre nach zehn Uhr, bis er an Ort und Stelle ist!«
»Hat er sich umgezogen?« frage ich.
»Allerdings«, sagt sie, »und wenn du meine Meinung hören willst, dann hat er diesmal wirklich eine Mätresse!«
24
Es gibt wenig Menschen, die wirklich bescheiden sind. Ich kenne zwar Leute, die sich nichts aus Statussymbolen machen, aber doch auf irgendeine andere Weise auffallen, ja glänzen möchten. Privilegiert sind natürlich jene, die durch Geistesgaben, Witz und Charme hervorstechen; die meisten erreichen Lob und Bewunderung jedoch durch berufliche Erfolge.
Anneliese hat ihre Kreativität bei der Gestaltung ihres zauberhaften Gartens und in kulinarischen Finessen zur Entfaltung gebracht, während sie schicker Kleidung und einer guten Figur lange Jahre keine Bedeutung beimaß. Vielleicht tut es ihr jetzt leid.
Seit zwei Wochen führen wir probeweise ein merkwürdiges Leben zu dritt, eine Alten- WG , in der sich keiner in die Karten gucken läßt. Alle drei geben wir unsere Abnutzungserscheinungen nicht zu. Jeder hat etwas zu verbergen, Ewald allen voran. Immer wieder haut er einfach ab, um angeblich mit seinem Schwiegersohn Schach zu spielen, für seine Tochter ein Babybett zu transportieren, meistens aber ohne Begründung. Ob er heimlich ein Fitness- oder Sonnenstudio aufsucht? Einerseits genießen wir seine Gegenwart und die munteren Gespräche bei Tisch, doch gleichzeitig ist Ewald ein störendes Element in unserer Frauengemeinschaft.
In einem unförmigen Karton brachte er praktische Präsente mit, wenn man Haushaltsgegenstände so bezeichnen soll, die Ewalds Kinder auf keinen Fall geschenkt haben wollten. So füllt jetzt der dritte rostige Gurkenhobel, die dritte Salatschleuder und die dritte Knoblauchpresse den Küchenschrank, ein dritter Fuselentferner liegt vor dem Flurspiegel, und im Keller stolpert man über einen dritten sperrigen Schuhputzkasten. Besonders stolz war er auf eine Nähmaschine, eine echte Singer Automatic, wie er betonte; in den sechziger Jahren war sie das Nonplusultra. Wenn mein Sohn das nächste Mal zu Besuch kommt, wird er die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Niemand weiß genau, ob Ewald demnächst auch noch seine Möbel in Annelieses Haus quetschen will.
Zu Annelieses Mißfallen gehe ich täglich mit Ewald spazieren, aber ich weiß nicht recht, ob diese kleine Freude die vielen Ärgernisse aufwiegt. Der große Nachteil ist eine diffuse Spannung, die zwischen uns dreien herrscht. Anneliese und ich wetteifern um Ewalds Gunst,
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