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Ladylike

Ladylike

Titel: Ladylike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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Weißbrotscheiben, Mira und Ruben dürfen je ein Ei aufschlagen und mit Milch und Vanillezucker verkleppern, ich bereite Apfelkompott, draußen summt der Rasenmäher. Als zwölf Arme Ritter in der Eiermilch gewälzt, in Butterschmalz gebraten und mit Zucker und Zimt bestreut sind, lassen wir uns hochzufrieden das klassische Kinderessen schmecken. In der Küche duftet es nach dem geschnittenen Gras an Ewalds Schuhsohlen, nach karamellisierten Äpfeln und Rubens Kleidungsstücken, die auf der Heizung trocknen; es ist ein wohliger Geruch von Heimat und Geborgenheit.
    »Bei meiner Mutter gab es Arme Ritter mit Weinschaumsoße«, sagt Ewald wehmütig, doch als er Annelieses strenge Miene sieht, fügt er rasch hinzu: »Mit Apfelschnitzen schmecken sie aber viel besser!«
    Es ist eine trügerische Idylle, denke ich, wir führen gerade das Stück Vater, Mutter, Kind auf. Aber bei zwei Müttern ist eine zuviel im Spiel. Und überdies gefällt es weder Anneliese noch mir, das ewige Bedürfnis eines Mannes nach Bemutterung zu erfüllen – auch alte Frauen gehen nicht immer in dieser Rolle auf.
     
    Mira hat bisher kein Wort gesagt, sondern die ganze Zeit fasziniert den bösen Onkel angestarrt. Ewalds Jacke hängt über einer Stuhllehne; unbemerkt vom Besitzer und ganz in Gedanken dreht sie so lange an einem Hirschhornknopf, bis sie ihn verwundert in den Fingern hält. Auf einmal meldet sie sich mit dünnem Stimmchen: »Bist du der Mann von Tante Lore?«
    Wir Erwachsenen lächeln ein wenig. Ewald steht auf.
    »Nein, ich bin ein Freund von deiner Oma und Tante Lore. Und jetzt werde ich euch verlassen und mir ein Hotel suchen. Die Mansarden sind ja durch liebe kleine Gäste besetzt.«
    Ruben, der gerade Zuckerreste mit dem Zeigefinger auftupft, protestiert sofort. Annelieses Enkel geht seit kurzem in die Schule und lispelt mächtig, seit ihm mehrere Milchzähne fehlen. »Wir schlafen doch bei der Oma im Zimmer! Auf zwei Matratzen!«
    Bei seinen letzten beiden Worten müssen wir unwillkürlich wieder lächeln, und Anneliese wird angesichts ihrer niedlichen Enkelkinder milde.
    »Beide Mansarden stehen leer, von mir aus kannst du ruhig ein Weilchen hier unterkommen.«
    Ewald setzt sich wieder hin.
    »Kinder«, sagt er feierlich, »eigentlich müßten wir mit Champagner anstoßen! Es hat sich endlich ein Käufer für mein Haus gefunden. Das ist der wahre Grund, warum ich so lange nichts von mir hören ließ – ich wollte euch mit vollendeten Tatsachen überraschen.«
    Anneliese und ich hören sehr aufmerksam zu, sagen aber nichts. Will er für immer bei uns bleiben? Wenn ich mich recht erinnere, war ursprünglich nur von vorübergehendem Asyl und zwischengelagerten Möbeln die Rede. Oder hat Anneliese schon den Ausbau mit ihm besprochen?
    Sekundenlang bilde ich mir ein, daß er aus Liebe zu mir gekommen ist. Um Anneliese nicht zu verletzen, wird er sicher nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Außerdem habe ich ihm bisher nie zu verstehen gegeben, daß meine Arme weit geöffnet für ihn sind.
     
    Nach dem Essen werde ich todmüde und verlasse die Runde. Anneliese möchte wohl ebensogern eine Siesta halten, aber den Kleinen zuliebe holt sie das Memory-Spiel, an dem sich Ewald beteiligen will. Ohne ein Auge zu schließen, liege ich auf dem Sofa und überlege, wie ich Ewald meine Zuneigung am geschicktesten signalisieren könnte.
    Am späten Nachmittag habe ich bereits eine Chance: Ohne Anneliese und die Kinder wandern wir durch den Park. Heute achte ich nicht auf Blumen, Bäume oder raffinierte Durchblicke, sondern nur auf Ewalds Verhalten. Macht er vorsichtige Andeutungen, die es zu entschlüsseln und aufzugreifen gilt?
    Er benimmt sich wie stets – freundlich, charmant, unverbindlich.
    »Die filigrane Silhouette der Moschee«, sagt er und deutet auf Kuppel und Türme im späten Tageslicht, »erinnert mich an eine Reise nach Istanbul. Wir waren jung und …«
    Wahrscheinlich ist es an mir, den Anfang zu machen.
    »Ich muß immer an unseren gemeinsamen Flug denken«, sage ich. »Wir waren zwar nicht jung, aber für mich war es ein vollkommen einmaliges und wunderschönes Erlebnis.«
    »Wer sagt denn, daß es einmalig bleiben muß?« fragt Ewald lächelnd und reicht mir die Hand, um mir über einen abgebrochenen Ast zu helfen.
    »Wir können es uns doch beide leisten, gelegentlich einmal abzuheben!«
    »Ganz allein würde es mir keinen Spaß machen«, erwidere ich, und er versichert sofort, daß er jederzeit für ein kleines

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