Ladylike
beäugen uns gegenseitig mit Mißtrauen, registrieren übergenau, was die andere anzieht, welches Parfum sie benutzt, ob sie Kritik oder Beifall des hohen Herrn erhält. Selbst bei Anneliese ist Schluß mit fleckigen Bademänteln und ausgelatschten Pantoffeln.
Mira und Ruben wurden vor zwei Tagen von ihren Eltern abgeholt, und selbst ich vermisse ihre kindliche Drolligkeit und unsere gemeinsamen Momente der Rührung. So lange die Kleinen bei ihrer Großmutter im Zimmer schliefen, mußte ich nicht befürchten, daß sich nächtens ein weiterer Gast zu ihr gesellte. Ohne die Kinder sind wir jetzt ganz auf uns gestellt und können nicht mehr Opa und Omas oder Vater, Mütter, Kind spielen.
Leider verschwindet Ewald nicht nur abends, sondern auch tagsüber und meldet sich nur ab, wenn es um gemeinsame Mahlzeiten geht. Jeden Dienstag und Freitag verläßt er uns nach dem Frühstück.
»Am liebsten würde ich einen Detektiv beauftragen«, sagt Anneliese, »denn irgend etwas stimmt nicht mit ihm. Hast du nicht auch das Gefühl, daß wir vor Verliebtheit langsam erblinden?«
Ich fahre zusammen, denn sie hat ausgesprochen, was ich nicht zu denken wage.
»Sollen wir ihn mal in die Zange nehmen?« frage ich. »Wir schleichen wie die Katzen um den heißen Brei, und er führt uns mit Vergnügen an der Nase herum. Es wäre höchste Zeit, ihm auf die Schliche zu kommen.«
Ewald ist nicht zu Hause, als uns die Studenten besuchen. Sie haben ein Sträußchen rosa Astern und Urlaubsfotos mitgebracht. Anscheinend legen sie großen Wert darauf, unsere geschäftlichen Beziehungen weiterhin zu pflegen.
Ricarda spricht ihre Wünsche offen aus. »Wann plant ihr eure nächste Reise?« fragt sie. »Es wäre nämlich wichtig, daß ihr die Semesterferien berücksichtigt!«
»Unter Umständen hätten wir einen kleinen Auftrag für euch«, sagt Anneliese, »und zwar sofort! Man braucht dafür allerdings ein Auto.«
»Wenn es wichtig ist, können wir den Nissan von Rikkis Eltern leihen«, meint Moritz.
»Würdet ihr euch zutrauen, Ewald unbemerkt zu observieren?« frage ich.
Den beiden bleibt sekundenlang die Spucke weg.
»Ich denke, Ewald ist euer Freund?« fragt Rikki unsicher.
»Im Prinzip schon«, antworte ich, »aber er sagt uns in einigen Punkten nicht die Wahrheit. Bevor wir uns dazu entschließen, ihn endgültig in unsere WG aufzunehmen, muß Klarheit herrschen. Vielleicht ist alles ganz harmlos, um so besser. Vorerst hättet ihr die Aufgabe, ihm das eine oder andere Mal unauffällig hinterherzufahren.«
Moritz und Ricarda sind schon gewonnen. Und da sich der Auftrag vorläufig auf den Abend beschränkt, brauchen sie keine Vorlesungen zu schwänzen.
»Ist er bewaffnet?« fragt Moritz.
Die praktische Ricarda hat andere Bedenken.
»Wir können doch nicht unentwegt vor eurer Haustür herumlungern, bis sich Ewald irgendwann mal auf die Läufe macht!«
»Wenn er das nächste Mal nicht mit zu Abend essen will«, erkläre ich ihr, »rufen wir sofort bei euch an. Meistens dauert es noch eine Stunde, bis er tatsächlich startet. In dieser Zeit könnt ihr dreimal hier sein und ihn von Schwetzingen aus verfolgen. Ein Handy habt ihr ja beide, so daß wir euch exakt sagen können, wann er die Haustür hinter sich zuzieht.«
Wir verabreden, daß sie sich morgen den Wagen von Ricardas Mutter leihen und fortan das Handy eingeschaltet lassen.
Längst sind wir wieder allein und diskutieren immer noch, ob es eine gute Entscheidung war. Im Grunde finde ich es verabscheuungswürdig, einen Freund zu bespitzeln. Aber ist es nicht auch eine Unverschämtheit, daß Ewald uns nicht freiwillig über jeden seiner Schritte informiert? Wir tun es doch auch! Noch nie bin ich zum Frisör oder in den Park gegangen, ohne es Anneliese wissen zu lassen.
Zwei Tage später ist es soweit. Ewald deutet schon am Nachmittag an, daß er nicht mit uns zu Abend essen wird. Die Studenten sind informiert und warten an der Einmündung unserer Straße in dem japanischen Kleinwagen. Kurz vor acht will Ewald in blauem Hemd, grauer Hose und marineblauem Blazer das Haus verlassen.
»Wo gehst du denn hin?« fragt Anneliese, um ihm ein letztes Mal die Chance zur Aufrichtigkeit zu geben.
»Sei nicht so neugierig«, antwortet Ewald grinsend. »Jeder Mann hat ein süßes Geheimnis!«
Das reicht. Wir rufen sofort unsere Detektive an. Eifrig bestätigen sie, daß sie startbereit sind und uns von nun an in regelmäßigen Abständen benachrichtigen werden.
Jetzt sitzen
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