Ladys Zirkel: Die Fotografin (German Edition)
dieses Café hier?
Mit Sicherheit war sie keine privat gescheiterte, unsichere Frau, die sich nicht traute, etwas aus ihrem Leben zu machen, so wie sie selbst. Linda grübelte, ob sie vielleicht allein optisch mal etwas verändern sollte. Die junge Mutter kam sich vor wie eine kleine graue Maus, neben all diesen coolen Menschen.
Die Bluejeans, die Blümchenbluse und die Sneakers, die sie trug, waren zwar bequem und praktisch, aber genau das strahlte sie damit auch aus. Bequem und praktisch. Sie hatte nun schon so viele Ratgeber gelesen mit Titeln: „wie werde ich erfolgreich“ und da stand eher nichts von: „eine knitterige Bluse (weil mal wieder keine Zeit/ Lust zum Bügeln da war) verleiht Ihnen eine Erfolg versprechende Erscheinung“.
Eine kl eine Veränderung würde ja vielleicht schon ausreichen, aber dafür hatte sie nun wirklich kein Geld übrig. Das was sie zur Verfügung hatte, musste so lange wie möglich reichen.
Ach ja, das waren die Momente , in denen Linda sich überlege, ob es richtig war auf alle Annehmlichkeiten zu verzichten, die sie hätte haben können. Schließlich stand ihr ja eigentlich Unterhalt zu und es gab doch da auch eine Zugewinngemeinschaft. Stattdessen lebte sie bescheiden von dem, was sie abgezweigt hatte und musste damit ganz von vorne anfangen. Aber wenn sie etwas einfordern wollte, würde das zwangsläufig Kontakt zu ihrem Mann bedeuten. Dafür fühlte sie sich einfach nicht stark genug. Irgendwie würde er sie sicher einschüchtern oder unter Druck setzen, damit sie zu ihm zurückkäme und damit alles von neuem beginnen würde.
Nein, es war ja nicht schlecht, wie sie mit ihrem Mäuschen Sophie momentan lebte. Wahrscheinlich ärgerte sie sich gerade über ihre eigene Antriebslosigkeit. Irgendwie sollte sie mal weniger an ihre Schwächen denken und mehr auf ihre Stärken vertrauen, dachte sie. Doch das was so einfach in den vielen Ratgebern klang, war in Wirklichkeit nicht so einfach in die Tat umzusetzen.
Doch auch das Lamentieren brachte sie kein Stück weiter, gestand sie sich ein.
Wieder beobachtete sie die elegante Frau. „So möchte ich sein!“ dachte Linda.
Was stand noch in dem dicken Lehrbuc h, welches sie als letztes gelesen hatte? „Suchen sie sich ein Vorbild an dem sie sich orientieren können“.
Linda beschloss, dass sie ihres gerade gefunden hatte und verankerte die Wirkung dieser Frau fest in ihren Gedanken.
Und nun würde sie nach Hause gehen und die Zeit, bis sie Sophie von der Schule abholen müsste, nutzen um eine Liste mit Stärken und Schwächen zu erstellen. Auch davon hatte sie schon einmal gelesen.
Yvette und Katharina
Geschickt balancierte Yvette die beiden Cappuccini auf dem Tablett die Treppe hinauf und fand Katharina in genau der Position, die sie erwartet hatte. Der Schreibtisch und ein Teil des Bodens darum herum waren bedeckt mit Papierstapeln, so dass man gerade noch Katharinas blonden Lockenkopf dahinter erkennen konnte. Leicht amüsiert wandte sich Yvette an Katharina und ein Lächeln huschte über ihre ebenmäßigen Züge: „Hallo Katharina, meine Liebe, ich habe etwas zum Wachmachen mitgebracht. Oh ja, das habe ich mir schon gedacht, dass es hier so aussieht“, schmunzelte sie. „Dass du mit solchen Bergen an Papier klar kommst finde ich schon beachtlich.“
Mit einem ent nervten Unterton, aber trotzdem lächelnd antwortete die Cafébetreiberin: „Klar kommen? Ich dreh’ bald durch. Es will einfach nicht weniger werden. Ob ich das noch mal lerne, etwas mehr Ordnung zu halten?“ resignierte sie. „Schön dich zu sehen, ist echt eine gelungene Abwechslung“, sagte sie, legte den kleinen Stapel Papiere beiseite und umarmte begrüßend ihre Freundin. „Komm setz dich, was gibt es Neues?“
In Gedanken ließ Yvette den Raum auf sich wirken:
Merkwürdig, sie war ein sehr ordnungsliebender Mensch und trotzdem fühlte sie sich hier in Katharinas Büroloft richtig wohl. Das Licht war immer etwas schummrig, die Geräusche und Gerüche aus dem Café unten waren allgegenwärtig und es herrschte das absolute Chaos.
In einer Ecke standen zwei große, durchgesessene braune Ledersofas, wo meistens die Teambesprechungen der Cafémannschaft stattfanden. Wenn Yvette an ihr bequemes weißes Designersofa in ihrem Studio dachte und sich dieses braune abgenutzte hier ansah, fragte sie sich, warum es sich trotzdem so wohlig anfühlte sich darauf zu kuscheln.
In der Mitte des Raumes stand ein dunkler Holzschreibtisch, jedenfalls das,
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