Lakefield House (German Edition)
überforderten Mädchen war schlagartig verschwunden. Ohne diese unterkühlte Bemerkung einer Antwort zu würdigen, verließ sie das Postamt.
„Mrs. Sullivan, wie schön Sie wiederzusehen!“ Rebecca schüttelte der überraschten Verkäuferin die Hand, die verlegen kicherte.
„Es ist immer wieder unglaublich, dass jemand so berühmteswie Sie in Dowra lebt. Und dann kaufen Sie sogar in meinem Laden ein.“
Dieser Umstand erfüllte die alte Dame offenbar mit so viel Stolz, dass Rebecca es nicht übers Herz brachte ihr zu sagen, dass ihr Laden ja auch der einzige im ganzen Dorf war.
„Mrs. Sullivan, Ihnen bleibt doch eigentlich nichts verborgen, nicht war?“
„Nun, ich bekomme jedenfalls einiges mit. Aber ich spioniere Niemandem hinterher!“
„Um Gottes Willen, das würde ich auch nie annehmen. Ich hatte nur gehofft, dass Sie vielleicht jemanden gesehen haben, den ich suche.“
„Wie sieht derjenige denn aus?“
„Groß und dunkelhaarig. Londoner Akzent.“
„Oh, hat er vielleicht eine kleine Narbe am linken Ohrläppchen?“
Keine Ahnung , dachte sich Rebecca, so genau hab ich mir den nie angesehen . Da sie sich aber nicht vorstellen konnte, dass es noch einen weiteren Londoner in diese Ecke verschlagen hatte, nickte sie. „Ja, genau.“
„Ja, den habe ich gesehen. Er hat zwei Mal hier eingekauft. Viel Gemüse und Obst. Kein Fleisch. Er hat sogar diese Ausgabe von Hemingway gekauft, die schon seit über zehn Jahren im Regal verstaubt.“
Robert als gesund lebender Vegetarier mit gutem Literaturgeschmack? Vielleicht täuschte sie sich ja doch, und es gab noch einen anderen Engländer im Dorf. Dennoch: „Wissen Sie zufällig, wo er wohnt?“
Die Enttäuschung war der sonst so gut informierten Dame direkt anzusehen. „Nein, Miss Turner, das tut mir leid.“ Ich glaube, er wohnt ein bisschen außerhalb. Es gibt in der Gegend so viele Fremdenzimmer und Feriencottages, dass man da direkt den Überblick verlieren kann. Sogar ich“, fügte sie mit einem Zwinkern hinzu.
Rebecca fiel es schwer ihre Enttäuschung zu verbergen, dennoch lächelte sie und legte die Packung Energieriegel, die sie als Alibi aus dem Regal genommen hatte, auf das Band.
„Das ist nicht weiter wild, Mrs. Sullivan. Was bekommen Sie von mir?“
Wie immer antwortete die Verkäuferin auswendig. „2,89 €“
*
Rebecca und Connor saßen in eine Wolldecke eingewickelt vor dem Kaminfeuer. Keiner von beiden redete. Sie schmiegte ihren Kopf an seine Schulter, und er legte ihren Arm um sie, drückte sie fester an sich.
Warum nur hatte sie der Arzt ebenfalls töten wollen? Was konnte sie schon in der Hand haben, das ihn als Mörder der Schwestern entlarvt hätte? Sie begriff nicht, was es mit Doktor Steppens Vorgehensweise auf sich hatte. Sie war ohnehin viel zu müde, um sich damit zu beschäftigen. Beinah gleichzeitig schliefen sie und Connor ein.
Rebecca erwachte vom Schrei eines Pfaues. Dieses verfluchte Vieh, dachte sie sich und drehte sich in Connors Armen, um weiterzuschlafen. Doch der Pfau schrie noch einmal. Rebecca hob den Kopf ein wenig an, um aus dem Fenster zu sehen. Der Vollmond nahm schon wieder ab, dennoch war die Nacht nicht stockfinster. Über dem See lag ein bläulicher Schimmer. Rebecca stand auf. Connor kippte zur Seite und rollte sich auf der Couch zusammen ohne aufzuwachen.
Die Nacht war mild und still, als Rebecca hinausging. Sie ließ das Haus hinter sich, folgte dem Gartenweg am unfertigen Pavillon vorbei hinab zum Ufer. Sie wartete in der schweigenden Nacht, auch wenn sie nicht wusste worauf. Der Steg knarrte unter ihren Schritten, während der See darunter schlief. Rebeccas Herz tat einen Sprung, als sie sie sah. Dennoch verlangsamte sie ihre Schritte nicht. Debora saß in ihrem Boot und wartete.
Aus ihrem herzförmigen Gesicht strahlten zwei rehbraune Augen, sie streckte die Hand nach Rebecca aus. Sie ergriff sie, wunderte sich nur einen Augenblick darüber, wie fest und warm sich die durchscheinende Hand anfühlte, und stieg zu Debora ins Boot.
Der eigenartige Nebel umfing ihre Gedanken wieder, dennoch begriff sie den Irrsinn, die Unvernunft dieser Tat.
Das Boot setzte sich von selbst in Bewegung, Debora sah ihr tief in die violetten Augen und lächelte.
„Debora?“
Das Mädchen nickte. Sie schien erfreut, dass Rebecca ihren Namen aussprach. Wiederum streckte sie die Hand nach ihr aus, zog sie jedoch zurück, bevor sie ihre Wange berührte.
„Warum bist du hier?“ Rebecca
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