Lakefield House (German Edition)
England geschickt.“
„Aber das kann doch alles nicht möglich sein.“ Rebecca wollte sich mit aller Kraft gegen diese schreckliche Geschichte wehren, doch sie spürte, dass es die Wahrheit war.
„Wie hoch sind die Chancen, dass ein Mädchen mit violetten Augen stirbt und neunzehn Jahre später zieht eine Frau in ihr Haus, die die selben Augen hat, das selbe Lachen und die selben dunkelbraunen Locken? Eine Frau, die genau wie Holly Dinge sieht.“
Rebecca erinnerte sich an die Art und Weise, wie sie von Lakefield House erfahren hatte. Es zog sich ihr der Magen zusammen.
„Aber du hast doch gesagt, dass Holly tot ist! Alle haben das gesagt! Es hat doch sicher eine Beerdigung gegeben, oder?“
„Ja, natürlich.“
„Und?“
„Ich war nicht da.“
„Du warst nicht auf der Beerdigung deiner Freundin?“
„Nein.“ Er kaute so fest auf seiner Unterlippe, dass Rebecca fürchtete, sie würde jeden Augenblick anfangen zu bluten. „Ich fühlte mich schuldig, weil ich mich am Mordabend mit Debora gestritten hatte. Wenn ich das nicht getan hätte, wäre diese schreckliche Geschichte vielleicht gar nicht passiert. Alle wussten das. Ich ... hab mich einfach nicht getraut.“
Connor gab ein Achselzucken von sich. Sein Blick verriet das Unverständnis, das Rebecca vollends teilte. Mit diesem Amulett, diesem Brief schien eine Frage beantwortet. Aber so viele neue Fragen waren aufgetaucht.
Ein ganz anderer Gedanke kam ihm in den Sinn. „Moment mal! Wenn du Holly bist ... wie alt bist du?“
Sie sah ihn misstrauisch an und begann ihrerseits zu rechnen. Wenn er damals sechzehn war und nun zwanzig Jahre vergangen waren, dann war er ... Unmöglich!
„Du bist schon 36?“
Er machte ein entrüstetes Gesicht. „Was heißt hier schon?“
„Du siehst gar nicht so alt aus.“
„Ich habe mich eben gut gehalten. Aber um zum eigentlichen Thema zurückzukehren: wenn ich 36 bist, dann bist du -“
„Ich werde 30“, stellte sie fest.
Er lachte auf. „Und wann?“
„In etwa sechs Jahren.“
„Du bist ganz schön jung!“
„Und du ganz schön alt!“
Mit einem Achselzucken umarmte er sie. „Na, und? Was soll’s? Wir sehen beide phantastisch aus!“
Sie schmiegte sich in seine Umarmung und war ihm einmal mehr für die kurze Ablenkung dankbar. Nur widerwillig fand sie wieder zu dem Gedanken, der sie ursprünglich beschäftigte.
„Connor?“
„Mhm?“
„Ich will das Grab sehen“, stellte sie fest.
Connor sah verschreckt auf, schüttelte den Kopf. „Nein, Rebecca. Ich -“
„Und ob.“ Sie stieg aus dem Bett und zog sich Socken an. „Wir haben nur wenige Möglichkeiten der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Eine davon ist das Grab. Wenn ich Holly bin, liege ich nicht im Sarg. Verstehst du, worauf ich hinaus will?“
Connor zog eine Braue in die Stirn. „Ich fürchte, ja.“
„Gut, dann hol einen Spaten!“
„Wo ist das Grab?“ Rebecca band sich im Wagen das Haar zusammen und klappte die Sonnenblende runter.
Die aufgehende Sonne versprach einen milden Sommertag, und Rebecca hoffte inständig, dass zu dieser frühen Zeit noch nicht zu viele Leute auf dem Friedhof waren. Das wäre für ihr Vorhaben außerordentlich unbequem gewesen. Connor stieg gerade ein. Er hatte Lizzy noch einfangen müssen, da diese beschlossen hatte, dass es amüsanter wäre, zwischen den Heidschnucken auf der Wiese gegenüber zu grasen.
„In Ballinagleragh“, antwortete er und wischte sich die schmutzigen Finger an seinen ausgewaschenen Jeans ab.
Als sie durch Dowra fuhren, schien Rebecca die Spannung, die mit Matthew Steppens Tod gekommen war, regelrecht greifbar. Die Leute, die auf der Straße standen und sich unterhielten, sahen jeden, der vorbei kam oder fuhr, mit größtem Misstrauen an.
Connor grüßte keinen der Dörfler, lenkte den Pick-up über die Dowra Bridge und bog in eine schmale Straße ein. Nach einer Zeit kam eine Abzweigung, der er folgte. Eine holprige Straße, die von einer Hofdurchfahrt unterbrochen wurde, führte schließlich auf einen kleinen gekiesten Parkplatz, auf dem nur ein Wagen stand. Rebecca stieg aus und ging zu Connor. Instinktiv schien er ihr Unbehagen zu spüren, nahm ihre Hand, drückte sie und ließ sie nicht mehr los.
„Wir sehen erstmal nach, wem der Wagen gehört. Wenn derjenige nicht in der Nähe des Grabes ist, holen wir den Spaten, einverstanden?“
Rebecca nickte und wusste nicht, ob sie vor Aufregung und Angst platzen oder in Ohnmacht fallen sollte.
Connor
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