Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lamarchos

Lamarchos

Titel: Lamarchos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
Vom Netzwerk:
es vergessen, Frau. Ich hatte vergessen, daß du eine wirkliche Gikena bist, und dachte weiterhin als Außenweltlerin von dir.“ Steif neigte er seinen Kopf. „Ich bitte um deine Vergebung für meine Dummheit.“
    „Ja, natürlich.“ Noch während sie dies sagte, schwang sich Aleytys vom Sitz herab. Ohne seine Antwort abzuwarten, lief sie zu dem Jungen hin und kniete neben ihm nieder. Eine stille Erleichterung breitete sich in ihr aus, als sie sah, daß sich sein skeletthafter Körper noch bewegte, nach Atem rang. Sie schluckte schmerzhaft, als sie den abgebrochenen Pfeilschaft direkt unterhalb des Schulterblatts aus seinem Rücken ragen sah; die Haut ringsum war geschwollen und gelb, zeigte verhängnisvolle rote Streifen, die wie ein Todesstern vom Wundzentrum ausliefen.
    Behutsam legte sie ihre Hände auf seinen Rücken; trotz der Sanftheit ihrer Berührung entrang sich ihm ein schmerzerfülltes Stöhnen. Sie breitete ihre Finger um den Pfeil herum aus, so daß er den Mittelpunkt eines von ihren Daumen und Zeigefingern gebildeten ungefähren Dreiecks bildete. Freude erwärmte sich in ihr, als sie das starke, gleichmäßige Pulsieren des Lebens in ihm spürte. Er war schwer verletzt und fast verhungert, aber der Lebenswille brannte so stark in ihm, daß er weit davon entfernt war zu sterben.
    Aleytys sog die heiße, staubige Luft ein und ließ sie in kleinen, einzelnen Stößen wieder herausfließen, dann nahm sie einen weiteren Atemzug und ließ ihn wieder heraus, ihr Körper verlangsamte sich zur Ruhe. Zu einer stillen Einheit mit Luft und Erde. Sie schloß ihre Augen und tastete nach dem schwarzen Wasserstrom, der sich zwischen den Sternen wand, ihr symbolisches Bild jener Kraft, die ihre Fähigkeiten nährte. Sie tauchte in den Fluß ein, ließ die Kraft durch ihre Arme in den bebenden Körper unter ihren Händen fließen. Zeit verging – wieviel, davon hatte sie keine Ahnung; irgendwann wußte sie, daß die Heilung vollbracht war.
    Mit einem Seufzer hob sie bleischwere Arme und richtete ihren schmerzenden Rücken auf. Der Junge schlief tief, die Wunde war ein blasser, rosa Stern, hob sich deutlich gegen die sonnengebräunte Haut auf seinem Rücken ab. Der abgebrochene Pfeil lag klebrig von Blut und Eiter neben der Wunde, hatte sich mit dem fortschreitenden Heilungsprozeß herausgearbeitet; sanft hob er sich mit dem Atem des Jungen auf und ab.
    Sie nahm ihn und warf ihn beiseite, ins Gras. „Warum ist sein Kopf kahlgeschoren?“
    Kale starrte auf den Jungen hinunter. „Wird er leben?“
    „Warum nicht? Ich bin eine verdammt gute Heilerin. Warum ist sein Kopf kahlgeschoren?“ Sanft legte sie ihre Hand auf die kurzen, hellen Stoppeln.
    „Bevor ihn seine Leute verstoßen haben, wurde das Haar von seinem Kopf und seinem Körper geschoren.“ Er bewegte sich unbehaglich. „Der Diebstahl … den wir vorhaben … Stört er dich nicht?“
    „Die Lakoe-heai wissen, daß wir als Diebe kommen. Es gefällt mir nicht, aber was kann ich schon tun?“ Sie fühlte sein wachsendes Unbehagen um sich herum. „Immer mit der Ruhe, Kale. Sie haben etwas mit uns vor, wollen uns benutzen. Sie werden sich nicht einmischen.“
    „Oh.“ Er blickte wieder auf den Jungen hinunter, kaute einen Moment lang auf seiner wulstigen Oberlippe, dann ging er nervös davon, starrte die Straße entlang. „Wir brauchen keinen Führer“, murmelte er halb zu sich selbst. „Die Straße ist frei.“
    Aleytys streckte sich und lachte. „Schon gut. Schon gut, Kale. Wenn du dich dadurch besser fühlst, tauschst du mit Stavver die Plätze. Der Junge kann mit Sharl fahren.“
    Maissa umrundete den Treckwagen, ihr zartes, spitzes Gesicht war zu einer ärgerlichen Miene verzogen. „Was hält uns auf?“ fragte sie.
    Aleytys begegnete dem kalten Funkeln mit einem stillen Lächeln. „Wir haben angehalten, um dem Jungen zu helfen.“
    „Und?“ Die kleine Frau schritt geziert über den rauhen Boden mit den scharfen Grasstummeln des letzten Jahres; sie war noch nicht wieder daran gewöhnt, barfuß zu gehen. Neben dem Körper des Jungen blieb sie stehen und stieß einen ungeduldigen Zeh in die vorstehenden Rippen. „Zeitverschwendung. Bist du fertig?“
    „Die Heilung ist getan. Wenn er aufwacht, kommt er mit uns.“
    „Unsinn! Geht weiter auf eure Plätze und laßt uns aufbrechen. Wir brauchen kein fremdes Augenpaar, das uns bespitzelt.“
    Aleytys seufzte. „Maissa, wenn ich eine Gikena sein soll, dann laß mich in Ruhe. Wenn wir

Weitere Kostenlose Bücher