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Lamarchos

Lamarchos

Titel: Lamarchos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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sich zu einem Kanal für den schwarzen Strom. Er ergoß sich durch sie hindurch, quoll hinaus, umbrodelte den schmalen Kopf. Ohne in einem wirklichen Sinne zu begreifen, sah sie das knochige Geschwür, das die Ohren verschloß, sah die toten, verdorrten Nervenenden, wußte nicht, was sie waren, sah nur ihr Totsein. In der Flut des schwarzen Wassers löste sich das knochige Gewächs auf, die Enden heilten, wuchsen, dehnten sich aus wie die ausgedörrten Wurzeln einer von der Trockenheit mitgenommenen Pflanze bei Beginn der Regenzeit. Als es getan war, befreite sie sich von dem Fluß, zog behutsam die Hände vom Kopf des Jungen fort. Sie sah auf und begegnete den Blicke des Meisters.
    „Nun?” Das Wort war eine donnernde Forderung.
    Der Junge sprang auf, schlug dabei die Hände vor die Ohren, das Gesicht vor Furcht verzerrt.
    „Wie du siehst. Er hört. Ich schlage vor, du hältst ihn, bis auf einige wenige Auserwählte, von allen fern, während er mit dieser neuen Sache in seinem Leben fertig zu werden lernt. Ich nehme an, er wird auch sprechen lernen müssen.” Sie rieb sich müde die Stirn. „Du hast befohlen, die Frau hierherzubringen. Und das …” Sie schluckte.
    „Und das Kind.”
    Der Meister wandte seinen schweren Kopf dem Schamanen zu.
    „Wo?”
    „Draußen.”
    „Bring sie herein.” Als Aleytys diese Worte hörte, sackte sie in sich zusammen, ihre Sinne trübten sich, sie wurde beinahe ohnmächtig.
    Sie faltete ihre Hände, machte den Rücken gerade und starrte gespannt auf den Bogendurchgang.
    Maissa stolperte herein, wurde von einem stämmigen Wächter weitergeschoben. Vor dem Meister richtete sie sich auf, die Augen wahnsinniger denn je; ein übermenschlicher Haß glitzerte darin. Ihre katzenhafte Anmut war verschwunden; sie stand schmerzhaft zusammengekrampft vor dem Meister. Aleytys blickte von ihr zu dem Fleischkloß, dann wieder zurück, und plötzlich verstand sie. Maissa war so winzig … Sie starrte ausdruckslos vor sich hin, schluckte, schluckte … Er hatte … Ahai, er mußte sie förmlich in zwei Hälften gespalten haben!
    Hinter Maissa bückten sich zwei Wachen durch den Zelteingang.
    Einer hielt ein kleines Bündel, das zappelte und jammerte. „Sharl!”
    Aleytys sprang auf die Füße und streckte die Hände nach ihrem Sohn aus.
    Maissa kreischte und warf sich auf Aleytys, die Finger zu Krallen gekrümmt.
    Der Wächter riß brutal seinen stiefelbewehrten Fuß hoch und trat die kreischende Frau durch das halbe Zelt. Dann stieß er einen Ellenbogen in Aleytys Magen, was sie von den Füßen und auf den Fellhaufen zurückwarf, auf dem sie gesessen hatte. Sie keuchte, mühte sich ab, die Luft in ihre Lungen zu bekommen, die aus ihrem Körper hinausgedroschen worden war.
    Der Meister blickte finster auf Maissa. „Du. Schwarze Viper. Mach eine Bewegung, und der Wächter wird dich auf seinen Speer spie
    ßen.” Er nickte zu dem grinsenden Mann hin, der sich sofort neben Maissa aufbaute. Sie begann zu bluten; auf ihrem Batiktuch breitete sich ein Blutfleck wie eine langsam aufblühende Blume aus. Aleytys taumelte auf die Füße.
    „Setz dich, Gikena. Oder der Wächter wird dich auf die Felle heften.”
    Aleytys sah voller Pein auf ihr Baby, dann zu Maissa. „Laß mich sie heilen. Das Blut…”
    „Die da.” Der Meister zuckte mit den massigen Schultern und setzte damit Wogen aus Fett und sich kräuselnder, faltig herunterhängender Haut in Bewegung. „Hat mehr Blut in sich, als ihr guttut.
    Laß das überflüssige aus ihr heraussickern. Du behauptest, das Kind ist dein?”
    „Ja, mein Sohn.”
    „Wie ist sie zu ihm gekommen?” Er hob eine fleischige Hand und stieß den Daumen zu Maissa hin. „Die da.”
    „Sie war meine Dienerin. Sie hat mir das Baby gestohlen, während ich geschlafen habe.” Sie breitete die Finger aus. „Ich muß schlafen.”
    „Welchen Grund hatte sie, ihn zu rauben?”
    „Sie ist verrückt, das ist doch offensichtlich!”
    „Hunh. Was sagst du dazu, schwarze Schlange?”
    Maissas Stimme war kühl und beherrscht. Sie lächelte süßlich, setzte sich auf, fegte die Reste verfaulten Unkrautes von ihren Schultern. „Sie ist unfruchtbar und trachtete danach, mir mein Kind wegzunehmen. Ich hatte Angst vor ihr und bin weggelaufen.”
    „Das kommt vor. Wie antwortest du ihr, Gikena?”
    „Das Kind gehört mir.” Sie funkelte Maissa an. „Ich bezweifle, daß sie je eines gehabt hat.”
    „Wenn ich zu deinen Gunsten entscheide, Kleine, was willst du, soll

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