LaNague 01 - Der Heiler
Mädchenzeit trugen.
Part war erschüttert über die Tragödie, die sich hier ereignet hatte. Er stand vor einer Rasse, die in ihrer Vergangenheit bunt und vielfältig gewesen war. Nun allerdings war sie durch die Kombination einer psi-verstärkten Religion und einer Philosophie des Rassensupremats zu einem Volk von gehorsamen Drohnen geworden, deren Leben und Kultur sich auf ihre göttliche Königin konzentrierte. Gab es in dieser Rasse freie Geiste, wurden sie erstickt, sobald sie ihr unorthodoxes Verhalten offenbarten. Die Argumentation lag auf der Hand: Der Wille der Göttin war mehr als das allgemein geltende Gesetz – er war seinem Ursprung nach göttlich. An ihm zu zweifeln, war Ketzerei; gegen ihn zu verstoßen, war ein Sakrileg. Was dabei herauskam, war eine entartete Version des natürlichen Ausleseprinzips auf geistiger Ebene. Der unterwürfige Geist, der in der Orthodoxie Zuflucht fand, überlebte und gedieh, während die Denker, Zweifler, Unruhestifter, Rebellen, Ikonoklasten und die Skeptiker Gefahr liefen, ausgelöscht zu werden.
Während Part die Gottheit betrachtete, hob sie ihren Kopf und öffnete die Augen. Unwillkürlich mußte er an einen Vers denken, der lautete: »ein Blick, so blendend und unbarmherzig wie die Sonne«. Sie fühlte, daß er sie ansah. Ihre Psi-Fähigkeit ließen sie seine Gegenwart spüren, so vage, wie sie auch war.
Sie schmetterte ihm einen Gedanken entgegen. Er war verstümmelt, vor Wut verzerrt, von Wahnsinn geprägt, und bedeutete ungefähr:
Schon wieder du! Ich dachte, ich hätte dich vernichtet!
Part, den ihre ohnmächtige Wut amüsierte, wünschte, er könnte ein schallendes Lachen durch den Raum schicken, um ihren Geisteswahn noch weiter herauszufordern. Wie die Dinge lagen, würde er sich aber statt dessen damit begnügen müssen, zu beobachten, wie sie bei dem Versuch, seine Position zu lokalisieren, um sich schlug.
Parts Bewußtsein begann, sich langsam auszudehnen, und bald fand er sich sowohl außerhalb wie auch innerhalb des Tempels. Er versuchte, sich nach unten zu konzentrieren, was ihm aber nicht gelang. Immer schneller breitete er sich aus. Nun umschloß er bereits den Planeten.
Zum ersten Mal, seit er in Dalts Gehirn mit der Fähigkeit zu empfinden erwacht war, verspürte Part Angst. Er hatte die Kontrolle verloren. Bald würde sein Bewußtsein bis an die fast unendlichen Grenzen ausgedehnt und angespannt sein, die er damals erfahren hatte, direkt nachdem er aus Dalts Körper gestoßen worden war – und zwar für immer. Und er wußte, daß dies das Ende für ihn bedeuten würde. Sein Geist würde niemals in der Lage sein, sich dieser Situation anzupassen; sein Verstand würde zerfallen. Er würde bis an das Ende seiner empfindungslosen Lebenskraft durch die Ewigkeit treiben. Es gab schon lange Theorien, die besagten, daß Bewußtsein nicht ohne eine materielle Basis existieren könne. Er hatte das Gegenteil beweisen können – aber nicht lange. Er mußte eine neue Basis finden. Verzweifelt versuchte er, sich Zutritt zum Geist einer der Untergebenen der Göttin zu verschaffen, aber er fand ihn verschlossen. Das gleiche traf auch für die niederen Lebensformen zu.
Alle Geiste waren ihm verschlossen … außer vielleicht einem …
Er hastete nach Hause.
XXI
Dalt erwachte jäh und setzte sich pfeilgerade in seinem Bett auf.
(»Tag, Steve.«)
Eine Kaskade von gegensätzlichen Gefühlen stürzte auf ihn herab: Freude und Erleichterung darüber, daß Part noch lebte und er, Dalt, sich nun wieder vollständig fühlte, Ärger über Parts Gleichgültigkeit angesichts seiner Rückkehr. Aber er unterdrückte alle Gefühle und fragte: Was ist passiert? Wo bist du gewesen?
Part berichtete kurz aber ausführlich, was geschehen war, in der visuellen, auditiven und interpretierenden Mischung, wie sie nur bei einer Kommunikation von Geist zu Geist möglich ist. Als er geendet hatte, schien es Dalt, als sei Part nie fort gewesen. Trotzdem, es gab ein paar feine Unterschiede zu früher.
Weißt du, daß du mich »Steve« genannt hast? Du hast mich die letzten hundert Jahre nur mit meinem Nachnamen angesprochen.
(»Mir kommt es so vor, als ob du jetzt wieder der alte Steve bist.«)
Das bin ich auch. Unsterblichkeit mag von Zeit zu Zeit belastend sein, aber es ist eine ernüchternde Erfahrung, einmal eine Zeit lang mit der Alternative konfrontiert zu sein, auch sterben zu müssen.
(»Ich weiß«), sagte Part, der sich noch an die Panik erinnern konnte,
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