LaNague 05 - Der Tery
also Tlads Tery. Was sollen wir mit ihm anfangen, jetzt, wo wir ihn haben?«
»Ich möchte ihn als Spielkameraden behalten … Und nenne ihn gefälligst nicht Tlads Tery. Er gehört jetzt mir!«
»Na, ich weiß nicht recht. Schau dir an, wie groß er ist. Wenn er dich angreift …«
»Das wird er nicht tun«, sagte sie überzeugt. »Er weiß, daß ich sein Freund bin. Ich habe es daran gemerkt, wie er mich angesehen hat, als ich daranging, seine Wunden zu waschen.«
»Nun wir werden sehen.«
»Vater«, sagte sie nach einer Weile, während sie einen Verband festknotete, »rotten Kitrus Leute jetzt auch die Terys im Wald aus?«
Komak kauerte sich neben ihr nieder. »Ich fürchte, ja. Oberlord Mekks Dekret gilt nicht nur für uns, sondern auch für die Terys und sogar für einige der seltsameren Pflanzen – das hat uns Rab jedenfalls erzählt.«
»Und wo ist dieser Rab, von dem alle reden?«
»Ich weiß nicht.« Er ließ sich zurückgleiten und saß nun auf dem Boden. »Aber ich wünschte wirklich, er käme her.« In einer langsamen, fast schmerzlichen Bewegung legte er sich ganz auf den Rücken und schloß die Augen.
»Müde?« fragte Adriel; sie unterbrach ihre Tätigkeit und schaute ihren Vater besorgt an.
»Erschöpft. Für diese Aufgabe hier bin ich nicht der Richtige. Ich wollte ja gar nicht Anführer der Gruppe werden. Als ich zustimmte, da dachte ich, es sei nur für ein paar Tage … bis Rab wieder auftauchen würde. Aber jetzt dauert es schon Monate.«
»Wo er wohl ist? Glaubst du, sie haben ihn gefangen?«
»Schon möglich. Als er uns warnte, sagte er, wir hätten nicht viel Zeit, um aus der Burg zu fliehen. Vielleicht hat er selber zu lange gezögert, als er versuchte, alle herauszubekommen.«
Adriel erinnerte sich lebhaft an jenen Tag. Ihr Vater war in heller Aufregung von Kitrus Hof, wo er als Planungsberater und Baumeister arbeitete, nach Hause gekommen. Ein unbekanntes Talent namens Rab hatte ihm von Geheimnissen, die in alten Büchern standen, zugeflüstert und von einem Abgesandten Oberlord Mekk, der mit einer neuen Proklamation unterwegs sei. Diese bilde eine Ergänzung des alten, die Terys betreffenden Ausrottungsdekrets und verfüge, daß nun auch die Besitzer des Talentes darin eingeschlossen seien, weil sie Gott beleidigten. Besitzer des Talentes würden daher exkommuniziert und ohne Verhandlung pauschal zum Tode verurteilt.
Die Nachricht verbreitete sich schnell unter den Talenten … – Rab, wer immer er auch sein mochte, hatte sich mit vielen von ihnen in Verbindung gesetzt – und die meisten glaubten ihm. Der Oberlord stand seit langem unter dem Einfluß einer Sekte religiöser Fanatiker, welche die Wahre Gestalt verehrten. Alle Abweichungen von der Wahren Gestalt galten als gottlos. Offenbar schloß das Dogma der Sekte nun auch die Talente von der Wahren Gestalt aus.
Natürlich gab es auch Zweifler, die darauf pochten, es stünde im Widerspruch zu allen geltenden Gesetzen, jemanden zum Tode zu verurteilen, nur weil er das Talent besitze. Diese wenigen blieben zurück, während Komak, Adriel und die anderen soviel wie möglich zusammenpackten und in die Wälder flohen. Sollten sie sich in Rab getäuscht haben, so argumentieren sie, dann koste sie ihr ungerechtfertigtes Vertrauen nichts weiter als ein paar unbequeme Tage und brachte sie vielleicht ein wenig in Verlegenheit. Wenn aber nicht …
Die Klugheit ihrer Entscheidung bestätigte sich auf grauenhafte Weise während ihrer dritten Nacht in den Wäldern, als Angst, Schmerz und Entsetzen der in der Burg zurückgebliebenen Talente sie in der Dunkelheit ansprangen und aus dem Schlaf rissen. Die Gefühle der Todesqualen ebbten allmählich ab, während jene Talente systematisch in ihren Heimen abgeschlachtet wurden. Nur Adriels Schlaf blieb ungestört.
»Vielleicht ist Rab hier in unserem Lager, und wir wissen es nicht«, sagte sie zu ihrem Vater.
Komak öffnete die Augen und stütze sich auf einen Ellenbogen. »Unmöglich. Ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll, aber … aber wenn du dich einmal mit jemandem durch das Talent verständigt hast, wirst du ihn immer wiedererkennen. Rab ist nicht hier.«
»Dann ist er vielleicht Tlad. Wir wissen überhaupt nichts über ihn!«
»Aber Tlad besitzt nicht das Talent. Du hast es selbst gesagt und solltest es wissen – du bist der Finder.«
Ja, sie war der Finder, das stimmte schon. Manchmal wünschte sie, sie wäre es nicht. »Trotzdem«, sagte sie, »ist irgend etwas an
Weitere Kostenlose Bücher