Land der guten Hoffnung
herankommenden Wagen vorbeiziehen, bevor ich langsam weiterfuhr.
Als ich die Villa erreichte, parkte der Mercedes am Gehsteig gegenüber. Ich legte die Forellen in den Kühlschrank und öffnete die zweite Flasche Wein.
Kurz vor Mitternacht traf Doc mit ihrer Bande ein.
Es wurde noch spät. Alle waren restlos glücklich. Ihre Tour war ein Erfolg gewesen. Eric Burdon und Band hatten sich offensichtlich in Bestform präsentiert. Nachdem sie ein Sechserpack geleert hatte, legte Doc noch ein paar alte Scheiben auf, um mir deutlich zu machen, was ich verpasst hatte.
Als endlich alle im Bett lagen, ging ich in den Garten. Ich genoss die Ruhe. Die Herbstnacht war mild, und das Mondlicht spiegelte sich im Wasser wider. Afrika kam mir in den Sinn. Mein letzter Besuch in der Republik Südafrika lag viele Jahre zurück. Damals hatte noch Rassentrennung geherrscht. Inzwischen hatte das politische Klima - dort wie hier - einige Änderungen erfahren. Und was das Wetter am Kap anging, so war dort Ende Oktober Frühling. Ein Tourist hätte es Vorsaison genannt. Die kühlen und nebeligen Tage wichen sonnigerem Wetter, das ab Mitte November konstant blieb und zum Sommer wurde.
Hier zu Lande erwartete man den Winter. Es war gut, ihm aus dem Weg zu gehen. Wie lange, hing vom Erfolg meiner Mission ab. Ich ging nicht davon aus, sie in Kapstadt selbst erledigen zu können.
Wohin der Weg mich am Westkap führen würde, war völlig offen.
Im Laufe des Vormittags fuhr meine alte Freundin mich zum Dampfer.
Sie war leicht verkatert, vergaß jedoch nicht, mir noch die Adresse des Winzers in Paarl mit auf den Weg zu geben. „Solltest du meinem Rat folgen und ein paar Tage Urlaub am Kap anhängen, dann mach mir mal eine Liste“, sagte sie.
„Eine Liste?“
„Schreib einfach jeden guten Tropfen auf, den du da unten trinkst und den du mir empfehlen kannst.“ Doc lächelte zum Abschied. „Jetzt, wo wir die Villa haben, kann ich es doch mal mit einem Weinkeller versuchen.“
„Vergiss den Steg für deinen Mann nicht.“
„Eins nach dem andern.“ Doc sah prüfend über die Anlegebrücke zur Fähre. „Du solltest dich beeilen!“
Auf der Spur - Kapstadt, Anfang November 2003
Kapitel 4
Zwei Tage später saß ich mit einer beschlagenen Flasche Castle Lager auf der Terrasse des Bay Hotels und schaute über Küstenstraße und Sandstrand auf den Atlantik vor Camps Bay.
Die Gischtkämme der Brandung waren blendend weiß und standen für meine an das trübe Herbstlicht Europas gewöhnten Augen in fast schmerzhaftem Kontrast zum Tintenblau der Wogen. Auf der Victoria Road kam der dichte Küstenverkehr nur im Stop-and-go voran. Doch das Defilee der Automobile hatte etwas Gelassenes. Mein Bier war eiskalt, und bei jedem Schluck spürte ich ein feines Stechen in den Schläfen.
Ich war am Mittag über London und Johannesburg eingetroffen und von 38 Grad Celsius bei wolkenlosem Himmel empfangen worden. Der Nebel in Heathrow hatte mehrere Stunden Verspätung und einen verpassten Anschlussflug verursacht. Da die Zeitverschiebung zwischen Heimat und Kap jedoch keine Rolle spielte, nahm ich es, frei vom Jetlag, gelassen. Die Hitze klang langsam ab, und der Nachmittag verabschiedete sich mit einem milden Licht, das den Vorort von Kapstadt in schmeichelnde Pastellfarben tauchte. Der Atlantik sah allerdings so eisig aus wie er war. Nur wenige Menschen und einige Hunde badeten in den Wellen. Trotzdem herrschte unter den Sonnenschirmen am Strand das pralle Leben. Der Wind trug den Geruch von Holzkohlefeuer zu mir herüber, und durch das Rauschen der Brandung und den Motorenlärm erklang der eine oder andere Lacher und Hundegebell.
Da die gesuchte Person in Camps Bay zum letzten Mal gesehen worden war, hatte ich hier Quartier bezogen. Mit dem Mann, von dem ich wichtige Informationen erhoffte, war ich in einer Stunde verabredet. Er hatte ein Fischrestaurant in der Nähe als Treffpunkt vorgeschlagen.
Ich zeichnete die Rechnung ab und nutzte die verbleibende Zeit, um einen Spaziergang am Meer zu machen. Ein buntes Gemisch bevölkerte Gehsteige und Fahrbahn der Victoria Road. Es waren vor allem junge Leute, die zwischen Läden, Kneipen und vorbeizockelnden Fahrzeugen zu sehen waren. Camps Bay schien ihr Nest zu sein. Es erinnerte mich an eine Künstlerkolonie. Noch stand der alljährliche Ansturm der Pauschaltouristen aus.
Der Fahrer eines türkisfarbenen Oldtimers hielt gemächlich an, damit ich zur Musik seines Autoradios die Straße überqueren
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