Land der guten Hoffnung
konnte. Der Schlitten war ein US-Cabrio mit Lenkradschaltung, in dem selbst Doc mit der ganzen Familie Platz gefunden hätte. Der blonde Beach Boy hinter dem Steuer hockte vereinsamt auf der durchgehenden Sitzbank und grinste mich freundlich an. Ich winkte ihm meinen Dank zu, und er nahm die Hände vom Steuer und spielte Luftgitarre für mich, bis ihn ein kurzes Hupen zur Weiterfahrt aufforderte.
Die Holzkohlenfeuer am Strand wurden von schwarzen Einheimischen betrieben. Es waren einfache Leute, die eine gut gelaunte Feierabendstimmung verbreiteten. Fisch brutzelte über der Glut, und eine Kiste Bier stand bereit. Die Aufmerksamkeit der Erwachsenen galt einem Brettspiel, während die Kinder zwei Hunde über den Sand jagten, die Haken schlugen und die Verfolger mit Scheinangriffen zum Stolpern brachten. Eine sommersprossige Lady marschierte die auslaufenden Wellen entlang. Sie war nicht mehr die Jüngste und schien nichts und niemanden wahrzunehmen. In den Händen hielt sie ein Skript, aus dem sie einen englischen Text deklamierte. Die Worte verloren sich im Wind. Ich folgte der Frau und musterte ihre strammen, von Krampfadern überzogenen Waden unter der hochgekrempelten Khakihose, bis sie mir enteilte.
Als ich eine Viertelstunde später die Felsformationen am Ende der Bucht erreichte, hockte sie bereits an der äußersten Spitze der Landzunge und gestikulierte zum lauten Vortrag aufs offene Meer hinaus. Ich fand einen bequemen Stein, setzte mich und sah zum Hotel zurück, das sich mit weißer Front und grünen Dächern hell vor der dunklen Wand der Zwölf Apostel abhob. Die Bergkette überragte die Bucht. Sie machte den Landstreifen zwischen Massiv und Atlantik schmal und zwang Häuser und Straßen in eine steile Hanglage. In der aufkommenden Dämmerung konzentrierte sich das quirlige Leben ganz auf die Küstenstraße. Neonreklamen, Scheinwerfer und Rückleuchten verschmolzen zu einem bunten Lichterband.
Das Handy, das ich mir direkt nach meiner Ankunft gemietet hatte, vibrierte. Ich meldete mich. Es war der Mann, mit dem ich verabredet war.
„Gormann. Ich bin jetzt doch ein bisschen früher dran, als gedacht, Herr Tempow. Könnten wir unseren Termin eine halbe Stunde vorziehen?“
„Kein Problem.“
„Wenn sie jetzt im Hotel losgehen, bin ich rechtzeitig im Lokal.“
„Ich bin am Strand - bei den Felsen.“
„Ah... Whale Rock. Ein schönes Plätzchen, um die Abendstimmung zu genießen! Kommt, was die Wegstrecke angeht, zeitlich auf dasselbe raus. Immer gerade aus über den Strand zur Victoria zurück.“
„Dann mache ich mich mal auf den Weg.“
„Bis dann. Der Tisch ist auf meinen Namen reserviert.“ Er lachte. „Aber Sie zahlen!“ Er beendete die Verbindung.
Es wurde kühl, und ich zog den Pullover über, den ich mir um die Hüften gebunden hatte. Auf dem Rückweg musterte ich die weißen Villen in den Hängen. Irgendwo da oben besaß Gunter Gormann einen Bungalow mit Pool.
Sowohl im Inneren des Restaurants, als auch auf dem Gehsteig zur Victoria waren die meisten Tische bereits besetzt.
Die Einrichtung des Lokals war einfach und solide. Das Personal gab sich lässig, offen und herzlich. Alles in allem eine Visitenkarte, auf der in großen Lettern stand: „Schaut her, wir machen keinen Hokuspokus. Schickimicki gibt es woanders. Wir konzentrieren uns auf das Wesentliche - den Fisch!“
Ich postierte mich vor dem Stehpult mit dem Reservierungsbuch, und in Sekundenschnelle war eine der Bedienungen bei mir. Es gab keinen livrierten Platzanweiser. Wer immer vom Personal gerade am nächsten stand, erledigte die Sache. Mister Gormann war zwar kein Begriff, aber Gunter war bekannt und brachte mir den einzigen freien Tisch am Gehsteig ein. Kaum hatte ich Platz genommen, erschien er in Person, begrüßte erst die Bedienung, dann mich und nahm Platz.
Gunter Gormann war ein sehr großer Mann mit silbernem Vollbart und noch pechschwarzem Haupthaar. Und trotzdem wirkte er eher unscheinbar. Es passte zu seinem verbindlichen Tonfall. Die Bedienung betete das Angebot herunter, das nicht auf der Karte stand. Ich entschied mich für den Schwertfisch vom Grill und Gormann für Thunfisch aus der Pfanne. Wir einigten uns auf eine Flasche Chardonnay, und die Bedienung eilte davon.
„Sie wollen also mit mir über Timothy Butler reden“, sagte er.
„So ist es.“
Kapitel 5
Um Zweifel auszuschließen, gab ich Gormann das Phantombild.
Es zeigte einen hageren Schwarzen um die Vierzig mit wilder Afromähne
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