Land der guten Hoffnung
Verwaltungshochhaus in der Downtown von Kapstadt, und der Blick durchs Fenster gab nicht mehr her, als Beton und Glas im Schatten einer tiefen Straßenschlucht.
„Rena Carsten hat gestanden und Ihre Version des Geschehens exakt bestätigt, Helm.“
Mein Stuhl war hart und ebenso unbequem für mich wie die strenge Musterung, der mich Wishbone unterzog. Hinter seinem überladenen Schreibtisch, umgeben von trostlosen Aktenschränken und billigen Sitzmöbeln, nahm er sich wie ein nobles und kräftiges Tier aus, das man von der freien Wildbahn in einen viel zu engen Käfig verschleppt hatte. Nur das Cord-Sakko mit den speckigen Lederflecken über den Ellenbogen verlieh ihm eine individuelle Note und vermittelte den Eindruck, er habe wenigstens sein eigenes Fell in die Zelle gerettet.
„Und auch in diesem Fall“, fuhr er fort, „Scheint kein Mensch mehr besonders scharf darauf zu sein, etwas Positives über Bertrand auszusagen und die Frau dadurch unnötig zu belasten. Alle sind froh, ihn ein für alle Mal los zu sein.“ Er seufzte. „Ich hätte ihn gerne auf andere Art aus dem Verkehr gezogen, wie Sie nur zu gut wissen.“
„Tut mir Leid.“
„Warum mussten Sie noch diesen verdammten Ausflug mit ihr unternehmen?“ Sein ganzer angestauter Frust machte sich mit dieser Frage Luft. „Ein völlig überflüssiger Umweg!“ Er schlug mit der flachen Hand auf einen Stapel Papiere.
„Sie wäre auch ohne mich gefahren.“
Er schwieg eine Weile.
„Damit haben Sie wohl Recht. Aber mit etwas Glück wäre es nicht zur Eskalation gekommen, und sie hätte ihn nur brav durch seinen Prozess begleitet. Und ich hätte nicht jahrelang umsonst daran gearbeitet, einen wie ihn zu überführen. Und Sie wären in diese verfahrene Yellowwood-Angelegenheit gar nicht erst hineingeraten.“
„Das stimmt wohl. “
„Ich habe die Werbetrommel doch nicht für einen Prozess gegen eine Rena Carsten gerührt. Ich wollte die Öffentlichkeit lediglich auf unserer Seite haben, wenn dieser politische Schwerverbrecher endlich seiner gerechten Strafe entgegengesehen hätte. Stattdessen sind Sie jetzt der einzige Augenzeuge für sein Ableben, und für alle stellt sich nur noch die Frage: Was hat diese Frau getan? War es kaltblütiger Mord - oder nur Totschlag - oder womöglich sogar Notwehr?“
„Für mich war es Totschlag mit einem Hauch von Notwehr.“ Er lachte trocken. „Sehr poetisch! Aber Sie sind nicht der Richter. Ihre Aussage entscheidet nur über die Haltbarkeit der Argumente von Anklage und Verteidigung. Sie, Helm, haben nur mittelbar Einfluss auf das Strafmaß. Und deshalb werden Sie noch einiges über sich ergehen lassen müssen. Man wird alles sorgfältig überprüfen. Im Moment sieht es ganz danach aus, als ob Sie nichts zu befürchten haben. Trotzdem sollten Sie nicht gleich morgen auf einen Heimflug spekulieren.“ „Keine Sorge. Ich habe hier noch einiges zu erledigen.“
Ich hatte Rena versprochen, für Connys Rückkehr in die Obhut des alten Herrn in Hamburg zu sorgen. Und Stamm, aalglatt und wendig, hatte sowohl Rena als auch mir versichert, alles dazu Nötige im Hause Carsten zu arrangieren.
„Ich hoffe, Sie fühlen sich nicht verpflichtet, Frau Carsten über das gesetzlich Zwingende hinaus zur Seite zu stehen, Helm. Das wäre nicht klug.“
Nicht nur Wishbones Tonfall, auch seine Miene drückten ernste Sorge aus.
„Wenn Sie sich erinnern, Helm, hatte Rena Carsten die gleiche gute Absicht im Sinn, was Bertrand anging. Sie wollte ihm zur Seite stehen. So etwas kann schief gehen, wie Sie vor einigen Tagen erlebt haben.“
„Ist das wieder die Geschichte von der Frau ohne Schatten?“ Er beließ es bei einem Achselzucken.
„Ich bin ihr nicht hörig, Stan.“
„Sind Sie sich da ganz sicher?“
„Absolut!“
Meine Antwort kam knapp und präzise, meine Stimme war fest und klar. Und doch klangen mir meine eigenen Worte, die ich in jener Nacht auf der Farm an Rena gerichtet hatte, wie ein hinterhältiges Echo im Ohr.
Sicher ist nichts und niemals.
„Was passiert, wenn Herr Stamm und seine hiesigen Anwälte ihre Meinung ändern und ihre Klientin in eine andere Richtung beraten. Sie kann alles widerrufen und behaupten, ein gewisser Helm Tempow hätte geschossen.“
„Bei allem Respekt vor Ihnen und Ihren Kenntnissen der hiesigen Verhältnisse, Stan - aber ich glaube, die deutschen Feinheiten dieser Angelegenheit kann ich besser abschätzen als Sie. Stamm wird sich voll darauf konzentrieren, zu retten, was
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