Land der guten Hoffnung
indirekt. Und ein Mann, der all das weiß und trotzdem agiert, geht felsenfest davon aus, alle ausspielen zu können.
Bertrand hatte in Deutschland einen großen Coup gewagt und perfekt durchgezogen. Er hätte sich danach zur Ruhe setzen können. Sein Problem war: Er kam einfach nicht zur Ruhe. Und jetzt bildete er sich sogar ein, seine afrikanische Vergangenheit - die ihn spät und unerwartet eingeholt hatte -besiegen zu können. Es war zwar ein Heimspiel, doch neben den üblichen Verbrechen ging es auch um Politik, Rassismus und Verstöße gegen die Menschenrechte. Und das war nicht mit Spielerlaune und Dreistigkeit zu bewältigen.
Nur wenig später ging Rena zu einem Plastiksessel, der neben dem Pool stand. Sie setzte sich und musterte Bertrand aus sicherer Distanz mit jener trotzigen Miene, die ich nur zu gut kannte.
„Aber was reden wir andauernd über mich.“ Bertrand bemühte sich um einen ruhigeren Tonfall. „Um noch mal auf dein ganz persönliches Problem zurückzukommen, Rena. Ich kann dir helfen, glaub mir. Ich zeige dir was.“ Er erhob sich und verschwand im Haus.
Es drängte mich, ihr etwas zu sagen, doch ich fand keine passenden Worte. So saßen wir nur in einigem Abstand beieinander und sahen uns stumm an. Inzwischen erklang die Klavierversion des Siegfried Idylls - doch unvermittelt brach die Musik ab. Der Hausherr hatte also doch so etwas wie Nerven. Neben dem Rauschen des Ozeans war plötzlich auch das leise Murmeln zu hören, mit dem sich Bertrands Männer unterhielten. Sie hatten sich neben dem Grill auf den Boden gehockt und tranken ihr Bier.
Als Bertrand zurückkam, hatte er sich mit einer Flasche Gin versorgt. In der anderen Hand hielt er eine Pistole. Die Waffe machte nicht nur mich unruhig. Auch Bertrands Männer schauten besorgt auf. Rena hingegen nahm den Anblick der Pistole völlig teilnahmslos hin.
Bertrand zeigte mir die Schusswaffe genauer.
„Eine Heckler & Koch USP. Das gleiche Modell, das ich in Hamburg hatte. Fünfzehn Patronen a neun Millimeter. Ich habe damals keine einzige davon benötigt. Rena war brav.“
Er lächelte ihr milde zu und schenkte sein Augenmerk erneut der Waffe.
„Das Original liegt irgendwo in der Außenalster. Ich habe mir das Ding später noch mal besorgt. Zur Erinnerung an die guten alten Zeiten.“
Bertrand ließ mich stehen und schritt gemächlich zum Pool. Dort blieb er vor Rena stehen, nahm einen Schluck Gin und sah eine Weile auf sie herab. Dann legte er ihr behutsam die Pistole in den Schoß.
„Hier, sie ist fertig geladen und entsichert. Du brauchst sie nur einmal auf mich zu richten, um den Ballast auf deiner Seele loszuwerden. Mit Hilfe dieser Waffe hatte ich damals dein Leben in der Hand, Rena - und ich habe es dir nicht genommen. Jetzt kannst du gleichziehen. Es wird uns miteinander aussöhnen.“
Bertrands bizarre Therapievariante zeigte keine Wirkung bei Rena. Sie starrte die Waffe an, ohne sie anzurühren. Mir kam es vor, als habe er ihr eine abgezogene Handgranate in den Schoß gelegt. Und auch seinen Männern war die Sache nicht ganz geheuer.
Bertrand betrat die Beckenumrandung, stellte die Ginflasche neben sich ab und wandte sich Rena erneut zu. „Du musst nur auf mich zielen. Das ist alles!“ Vor dem hell erleuchteten Wasser hob sich seine Körperkontur deutlich ab.
„Hör auf damit“, bat sie kaum hörbar.
„Wie denn?“ Er lächelte werbend. „Kein anständiger Arzt gibt seinen Patienten auf, so lange noch eine Chance zur Rettung besteht.“
„Ich kann nicht.“
„Du kannst, du musst es nur wollen“, beharrte er freundlich.
Sie sah mich an.
Ich schüttelte vorsichtig den Kopf.
Sie nickte kaum merklich.
„Halten Sie sich da raus, Helm“, blaffte Bertrand mich an. „Sie können auch gehen. Schlafen Sie noch ein bisschen. Das wird Ihnen gut tun. Oder spionieren Sie häufiger in anderer Leute Schlafzimmer?“
Diesmal ließ ich mich nicht zu einem unbedachten Angriff hinreißen. Ich blieb auf meinem wackeligen Badehocker sitzen und ließ den überlegenen Blick, mit dem er mich musterte, stoisch über mich ergehen.
Er zog sein Hemd aus und warf es achtlos beiseite.
Rena blieb unbeeindruckt.
Die Tätowierung über dem Herzen war im Mondlicht gut zu erkennen. Verglichen mit Wishbones Tattoo war sie primitiv. Es handelte sich nicht um die feine Zierde eines Fürsten von edlem Geblüt, sondern das grobe Kainsmal eines Kriminellen.
Wenn er tatsächlich im Knast landete, konnte Bertrand damit bei den
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