Landkarten des Lebens
Ich denke gar nicht weiter darüber nach, sondern klettere sofort über die Absperrung und gehe auf eine der Frauen aus dem Ballonfahrerteam zu, die am Boden zurückgeblieben ist. „Wann kann ich mitfahren?“, frage ich sie. Ich frage nicht, ob ich mitfahren kann – denn dass ich mitfahren werde, steht für mich fest. Sie schaut mich überrascht an, aber dann lacht sie. „Kommen Sie morgen früh um halb sechs wieder. Dann können Sie mitfahren!“ Ich kann mein Glück kaum fassen. Leider hält es nur ein paar Augenblicke. Denn sofort überfällt mich so etwas wie Lampenfieber. Ich bin fürchterlich aufgeregt. Und ich fürchte mich auch ein bisschen. Was geschieht da oben in der Luft? Was ist mit meiner Höhenangst? Was passiert, wenn das Gefühl übermächtig wird, wieder ganz schnell festen Boden unter den Füßen haben zu müssen? In dieser Nacht schlafe ich sehr schlecht. Am anderen Morgen stehe ich schon um halb fünf auf. Appetit habe ich überhaupt keinen, also fällt das Frühstück aus. Ich mache mich auf den Weg.
Wieder in Weilburg angekommen, fällt jedoch alle Aufregung von mir ab. Ich helfe den Ballonfahrern, den Ballon startklar zu machen, freue mich, als sich die Sonne endlich zeigt und uns ihre wärmenden Strahlen schickt. Und dann geht es auch schon los. Der Brenner faucht, wir steigen in den Korb und kurz danach in die Höhe. Weil der Korb mir tatsächlich nur bis an die Hüfte reicht, halte ich mich an einem der Seile fest. Das gibt mir Sicherheit. Meine Angst ist weg. Geblieben ist ein fast schon fassungsloses Staunen. Sobald der Brenner schweigt, fahren wir geräuschlos, gleiten still über die Stadt Weilburg und die umliegenden Dörfer, über die Landschaft, Wälder und Kornfelder. Die Menschen schlafen überall noch, niemand ist auf den Straßen, hin und wieder sehen wir ein Auto, irgendwo knattert ein Motorrad einsam über einen Feldweg. Wir schweben über der Welt, in der ich mich tagtäglich bewege. Ich bin mittendrin im Film meines Lebens. Ganz großes Kino.
Die Stille dort oben ist unermesslich, wie atemlos und unberührt. Wir reden nicht an diesem Morgen, in unserem Ballonkorb, im Licht der steigenden Sonne. Keiner bricht das Schweigen, denn wir fühlen alle: Es ist heilig und voller Frieden. Jeder hängt seinen Gedanken nach. Ich bin mit mir, der Natur und den Orten meines Lebens beschäftigt. Der Wind trägt uns über das Land, ich nehme Berge und Täler wahr, sehe viel Schönes, aber auch Schutthalden und Müllkippen. Es ist wie im Leben unten auf der Erde. Es gibt Höhepunkte und Tiefpunkte. Diese Ballonfahrt ist einer der Höhepunkte meines Lebens. Von hier oben, von diesem Höhepunkt aus, habe ich den Überblick über das, was mein Leben ausmacht. Und genau das ist der Grund, warum Höhepunkte so wichtig sind: Sie verschaffen uns den Weitblick, ohne den wir nicht überleben können.
Schritt 3 auf dem Weg zu Ihrem Lebenstraum:
Tragen Sie in Ihre Lebenslandkarte die Höhen und Tiefen Ihres Lebens ein. Sie können die Linien mit jeweils einer Farbe für die Höhen und einer für die Tiefen entweder um die Orte herum platzieren, an denen sich die Höhe- und Tiefpunkte ereignet haben – oder Sie zeichnen dafür einen extra Punkt auf Ihrer Landkarte ein.
Eine Begegnung mit Gott
Zurück auf der Erde und in meinem Zuhause bin ich noch so erfüllt von dieser Ballonfahrt, von diesem Lebenshöhepunkt, dass ich diesen Moment noch ein bisschen festhalten will. Ich greife wieder einmal zu meiner Lebenslandkarte, auf der ich die Orte und Wege meines Lebens schon eingetragen habe. Nun zeichne ich noch die Höhepunkte dazu ein – aber auch die tiefen Täler, durch die ich schon gegangen bin. Weil ich dazu zwei Farben nehme, kann ich schon nach kurzer Zeit ganz plastisch und ohne 3-D-Brille sehen, wie aus meinem eindimensionalen Lebensweg ein Relief meines Lebens wird. Neben die Höhepunkte meines Lebens schreibe ich noch die Emotionen, die ich mit diesem speziellen Höhepunkt verbinde. Das hilft mir, mir noch einmal zu vergegenwärtigen, was dieses jeweilige Hochgefühl ausgelöst hat und warum ich in diesen Momenten so stark das Empfinden hatte, die Welt gehöre mir. Als ich diese Karte anschaue, erfüllt mich das gleiche Gefühl wie ein paar Stunden zuvor im Korb des Ballons: Ich habe einen Überblick. Ich weiß, wo es langgeht. Ich sehe Täler, aber ich erkenne auch: Sie sind nicht das Ende. Nach jedem Tal kommt wieder ein Berg. Und ich spüre: Ich schaffe es immer wieder, einen Weg aus
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