Landleben
einem
glücklichen Stern stand.
Und doch stimmt etwas nicht: Irgendetwas ist in ihm,
das sich lockern und lösen muss. Die Erfüllung mit Julia,
das Ankommen im Hafen sicheren Verheiratetseins und
des wohlausgestatteten Ruhestands – dieses Gefühl auf-
rechtzuerhalten ist anstrengend, wie es seine rastlose Un-
zufriedenheit mit Phyllis nicht gewesen war. Phyllis und er
hatten, als sie sich paarten, der Welt nichts angetan, sodass
sie nunmehr hätten vollkommen sein müssen; sie waren
in dem Alter gewesen, in dem man heiratet und sein Zu-
hause verlässt und ein neues gründet, so wie es allgemein
üblich ist. Er und Julia haben zwei bestehende Familien
zerstört und einen Tod verursacht, auch wenn kein Gericht
sie dafür verurteilen könnte. Art Larson, wie er sich inzwi-
schen nennt, hat den Beruf des Geistlichen aufgegeben
und erfreut sich einer gut bezahlten Stellung als PR-Ver-
mittler in New York, doch wenn er aufkreuzt, zur Hochzeit
eines Kindes oder zur Trauerfeier für einen guten Freund
des früheren Paares aus den Tagen vor Middle Falls, wirkt
sein Hals verletzlich ohne den steifen Kragen. Sein Haar ist
nicht mehr so drahtig und kräftig wie das zerzauste, dichte
Fell eines Hundes. Seine Stimme jedoch ist so volltönend
und feierlich melodiös wie eh und je, und sein Verhalten
gegenüber Owen nicht weniger wohlwollend als bei ihrer ersten Begegnung. Auch spärliche Glaubensreste verlei-
hen dem Gläubigen Schicksalsergebenheit und eine ener-
giesparende Bereitschaft zu vergeben.
Es gibt, so hat Owen es sich zurechtgelegt, zwei beweis-
kräftige Argumente für die Wahrheiten der christlichen Re-
ligion: erstens unser Wunsch, ewig zu leben, wie ermüdend
die tatsächliche Erfahrung ewigen Bewusstseins auch sein
mag, und zweitens unser Gefühl, dass etwas nicht stimmt –
dass es in der Welt einen Fehler, ein Versäumnis gegeben
hat und die Dinge nicht ganz so sind, wie sie sein sollten.
Wir haben das Gefühl, für eine bessere Welt gemacht zu
sein, und es ist unser Fehler, dass dies nicht das Paradies
ist. Der zweite ist vielleicht der handfestere Beweis, da
Angst und Abscheu vor dem Sterben, wie der Schmerz,
als Überlebensmechanismen erklärt werden können, aus-
gewählt und verfeinert durch die Darwinsche Evolution.
Da wir den Tod fürchten, bemühen wir uns um so heftiger
zu leben. Solange unsere Gene überleben, ist es der Natur
gleichgültig, wie sehr wir leiden.
Ein drittes supranaturalistisches Argument könnte man
darin sehen, dass der Glaube cum grano salis (das heißt
außer im Falle von Selbstverstümmelung, Märtyrer-Selbst-
mord oder Ermordung der eigenen Kinder als garantierte,
preisgünstige Übersiedlung in den Himmel) der Gesund-
heit zuträglich ist; medizinische Untersuchungen haben
dies wiederholt bestätigt. Ein Glaube, der die Angst zer-
streut, ist der Leistungsfähigkeit und dem Erfolg in der
Welt förderlich: Für Owen ist dieses Argument krass prag-
matisch. Optimismus führt oft zum Erfolg, aber entkräftet
das die gebieterischen Wahrheiten des Pessimismus? Das
menschliche Tier, das sich auf Bäumen entwickelt hat und
dann niederplumpste und in den Grassteppen Kenias um-herlief, hat mit der Zeit ein hohes Bewusstsein erworben,
das philosophischen Beschwichtigungen hinderlich ist.
Um drei Uhr morgens drehen sich die Gedanken im Kreis
und versuchen hinter sich zu lassen, was wir als sinkendes
Schiff erkennen. Doch aus dem eigenen Ich hinauszu-
springen ist keine Fähigkeit, die im Westen erlernt wird.
Die Schädeldecke bleibt fest und schließt uns mit unseren
Ängsten ein.
Sie klammern sich aneinander, er und Julia, in dem, was
nun ihr Lebensabend ist. «Ich finde es grässlich», sagt sie
zu ihm, «wenn du nicht im Haus bist, selbst wenn du nur
auf dem Golfplatz bist.»
«Wie lieb von dir, Baby. Ich finde es grässlich, wenn du
den ganzen Nachmittag Bridge spielst. Das Haus ist dann
so groß. Wenn du hier bist, kommt es mir eher klein vor.»
Das ist nicht nur ein Kompliment, und Julia lacht über
die Spitze und gibt zu, ja, wenn er in einem der Zimmer
ist, findet sie eine Entschuldigung hineinzugehen; wenn er
sich mit seiner murmelnden Central Porcessing Unit ein-
schließt und versucht, mit den Schaltkreisen mitzuhalten,
die, bei einem Schnitt von zweihundertzwanzig Milliarden
Zyklen pro Sekunde, einen Algorithmus durch die UND-
und ODER-Tore zu dem schlussfolgernden WENN ...
DANN ... SONST zwirbeln, dann kommt sie mit einer
Frage zur Krankenversicherung herein oder
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