Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana
mitten im Wald, nur auf abenteuerlichen Wegen zu erreichen.
Nicht leicht, den Partner mit diesen Fotos zu überreden, doch geschwind übers Wochenende nach Pisa zu fliegen. Ich musste schon einen Regentag abwarten, um von südlicher Sonne und unglaublich günstigen Flügen zu erzählen. Ich malte ihm aus wie es wäre, statt im Regen bei einem Glas Wein auf der Piazza von Massa Marittima zu sitzen. Und vielleicht könnten wir dann - ganz unverbindlich - noch ein einziges, ein letztes Haus besichtigen. Die Geschichte mit dem falschen Klick glaubt er bis heute nicht.
Gut, dass wir einen „hochbeinigen“ Panda als Mietwagen hatten, anders hätten wir das Haus nie erreicht. Wie schon beschrieben: Steiler Waldweg, tiefe Löcher - Abenteuer pur, 900 Meter abseits der Asphaltstraße. Alles war so, wie angekündigt. Nur der Dschungel aus Schlingpflanzen und Brombeerwäldern rund ums Haus war neu. Doch dann kamen wir auf die vom Foto bekannte, von Maschendraht umzäunte, Terrasse. Ein ungläubiger Blick auf ein wahnsinniges Panorama:
Ganz weit links, im Süden, die Halbinsel Monte Argentario, auf der Millionäre ihre Sommervillen haben. Gleich daneben die Insel Giglio, noch immer ein Geheimtipp für Reisende. Ein wenig weiter rechts und leicht zurück gesetzt, erhebt sich Montecristo aus dem glitzernden Meer.
Ein dort versteckter, sagenumwobener, Schatz beflügelte einst die Phantasie von Alexandre Dumas. Sein „Graf von Monte Christo“ fand den Schatz und rächte sich mit dem Geld bitter an den Menschen, die ihn unschuldig 14 Jahre lang in den Kerker gesperrt hatten. Bislang wurde die Story 47 Mal verfilmt. Heute finden sich auf der Insel eine Klosterruine, die Villa eines pleite gegangenen englischen Kunstsammlers und die Station von Wildhütern, die eine einmalige Spezies von wilden Ziegen behüten. Wer die Ziegen, die wie Ziegen aussehen, aber statt zu meckern, bellen, besuchen möchte, muss drei Jahre auf eine Genehmigung warten. Wer sich unerlaubt der Insel auch nur nähert, zahlt 6000 Euro Strafe.
Willkommener ist der Gast im Städtchen Piombino, ganz rechts im Panorama, wo die Fähren nach Elba ablegen.
Die Urlaubsinsel liegt im Zentrum unseres Blickes und dahinter erscheint – wie eine Fata Morgana – ein komplettes Korsika.
Wir schauten uns an und wussten, die Entscheidung ist gefallen. Gesagt hat keiner etwas. Was soll da auch kommen? „Unglaublich“ = banal. „Ein magischer Platz“ = kitschig.
Die Besichtigung des Hauses war hart. Eine alpine Berghütte versetzt in die Toskana. Schwere dunkle Holztüren, verschnörkelte Sitzbank, auf einer grün-rot bemalten Truhe aus dem 19. Jahrhundert der Spruch „Im Glück nicht jubeln, im Sturm nicht zagen“ – kein Wunder, der Verkäufer ist Schweizer mit durch und durch calvinistischer Seele. Bloß keinen Spaß, bloß keine Muße.
Als wir ankamen, fegte er, im Norweger-Pullover, mit Bergstiefeln und Zipfelmütze, unbeirrt im Wind die wirbelnden Herbstblätter auf der Terrasse hin und her.
Die Einrichtung ist – wie in so vielen Ferienhäusern – ein Sammelsurium von auf dem Dachboden gehorteten Möbeln und von Freunden gespendetem Sperrmüll. Eben alles, was „doch noch gut“ ist, was nur keiner in seinem Hauptwohnsitz haben will.
Egal. Das Haus ist solide gebaut, hat drei Zimmer, ein Bad, eine Küche, einen ebenerdigen Kellerraum und fünf Glühlampen, erleuchtet von elf (!) aneinander geschalteten Autobatterien und einem Sonnenpaneel aus der ersten Generation.
Direkt ans Haus geklebt ein windschiefer Holzschuppen. Auf dem festgestampften Lehmboden ein kleines Museum von Landmaschinen und Geräten. Der Traktor, der kein Traktor ist, wie ich lerne, sondern ein verrosteter AEBI-Transporter, erfunden für Schweizer-Almwiesen, daneben Ungetüme aus Eisen und Stahl, die angeblich Holz spalten, Wiesen mähen, Heu wenden und aufladen. Kein Teil jünger als 40 Jahre. Garantiert. Erst jetzt realisiere ich, dass drei große - nein, das ist untertrieben – sagen wir, riesige Wiesen das Haus umgeben.
Kurz stelle ich mir vor, wie wir in Zukunft unsere Urlaube damit verbringen, mit Hilfe dieser Supermaschinen gegen die Natur zu kämpfen. Und schon erklärt der Verkäufer, dass er stets von Sonnenaufgang bis -untergang geschuftet habe, aber dass das sehr befriedigend sei. Und mit seiner bedächtigen, monotonen Stimme fährt er fort: „Meiner Frau hat das nicht gefallen. Sie will nie wieder in die Toskana reisen. Sie hat mich
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