Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana
eine Art Betonkasten mit Deckel, sogenannte Zwischenstationen, von denen aus eventuelle Schäden zu reparieren sind.
Dann haben wir die ausgehobene – und gefrorene - Erde in den Graben zurückgeschaufelt. Ein lustiges Programm für drei Tage.
Nur 24 Stunden später haben wir Telefon und sind online! Unsere Mails sind wieder homemade und kommen nicht mehr aus dem 13 Kilometer entfernten Internet-Café. Gut, die Leitung ist ein bisschen langsam. Videos, geschweige denn Filme, können wir nicht schauen, es sei denn wir finden es spannend, nach einem Bild und drei Worten dem erneuten Ladevorgang zu zusehen, um das nächste Bild zu bestaunen, bevor es nach gehöriger Pause den Blick auf das dritte freigibt. Aber im Internet surfen ist kein Problem und geradezu ein kontemplatives Vergnügen. Du rufst eine Seite auf, schaust versonnen aus dem Fenster einem Meisenpaar zu, und – schwupps – schon erscheint die bunte, weite Welt. Toll. Wieder so ein Beispiel, dass es so Wenigem bedarf, um glücklich zu sein, wenn man nichts als selbstverständlich hinnimmt.
Wildschwein, Stachelschwein und Co. stehen ab sofort unter scharfer Beobachtung. Kein Pardon falls sie es wagen, die Leitung wieder auszubuddeln. Ich habe allerdings keine Ahnung wie man sie bestraft. Vielleicht eine Zugangssperre zu den Kastanienbäumen? Als Nachtwächter haben wir uns jedoch unsere Zukunft keinesfalls vorgestellt.
VIII
Die ersten Anrufe und Mails sind seltsam . Freunde wie Verwandte schlagen vor, einen Toskana-Blog zu schreiben, um von den „Erlebnissen als Ausgewilderte“ zu erzählen. Wir sind doch keine seltenen Tiere, die man nun in freier Wildbahn beobachtet. Uns fällt auch nicht der Himmel auf den Kopf – auch wenn es regnet und Wolken mal wieder das Haus einhüllen.
Ich finde es auch gar nicht lustig, dass anscheinend Elefanten das Okawango-Delta in Botswana verlassen haben, um ihr Matschbad in der ersten Kurve unterhalb des Hauses zu nehmen. Denn Wildschweine können doch eine solche Schweinerei nicht anrichten. Oder doch?
Ohne Auto mit Allrad erreicht uns derzeit niemand. Wer zu uns möchte, wühlt erst vergebens mit heulenden Motoren im Schlamm und kommt dann lehmverkrustet und atemlos zu Fuß bei uns an. Leider auch ein wenig missgelaunt. Aber irgendwie haben wir so einen Mitleidsbonus. Alle kommen. Die Telecom-Leute, das Telefon blieb gleich wieder stumm, ebenso wie der Elektriker und die neu gewonnenen Skat-Nachbarn, die nur vier Kilometer entfernt wohnen.
Aber sobald er Zeit hat will Enzo, der Genie-Bauer, mit seiner kleinen Raupe kommen, den Matsch zur Seite schieben und eine ganze Lkw-Ladung Rollsplitt verteilen. Dann bieten wir geradezu eine Autobahn für Ferraris. Na ja, das ist vielleicht ein wenig übertrieben. Aber der Weg wird so schön, dass sich die Anschaffung einer Schrotflinte zur Verteidigung gegen Schlammfreaks wie Wildschweine – oder doch Elefanten? – lohnen würde.
Einige Dutzend Wildschweine haben ihr rücksichtsloses Treiben nun mit dem Leben bezahlt.
Na ja, ganz so ist es nicht. Es ist schlicht Jagdsaison. Horden bewaffneter Männer sind unterwegs und ballern auf alles, was sich bewegt. Für uns heißt das: Im Haus bleiben oder laut hupend durch den Wald fahren. Unsere „Straße“ ist für sie nur ein Waldweg, auf dem man bequem jagen kann.
Der Abtransport der Beute ist nichts für schwache Nerven. Eine Prozession protziger Pickups, auf deren Ladeflächen sich je 15 bis 20 toter Wildschweine türmen. Ihr Blut rinnt durch die Ritzen der Seitenwände. Am Steuer je ein stolzer Krieger in militärischer Tarnkleidung.
Unsere persönliche Rache an den Wildschweinen ist eher klein. Wir fahren zu Meri und Sergio, die einen Bilderbuch-Bauernhof haben und kaufen ganz einfach ein halbes Wildschwein.
Sergio, klein, rund und stets gut gelaunt, hat früher, wie tausende andere Männer der Gegend, in einer Mine gearbeitet. Jetzt schuftet er auf seinem Mini-Hof. Wirklich Geld bringen nur Olivenöl- und Holzverkauf. Von Oktober bis April schlägt Sergio von morgens bis abends Bäume, schneidet sie auf einen Meter Länge und bringt sie mit dem Trecker zum Sammelplatz. Dort werden riesige Lkws beladen, die zum Hafen von Civitavecchia fahren und zum längst kahl geschlagenen Sardinien übersetzen. Nach Feierabend in einem Chemiewerk in Follonica hilft ihm Mirko, sein Sohn, der gerne einfach nur Bauer wäre. Doch das
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