Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana
das wir durchhalten, sechs Flaschen Champagner versprechen.
Ich denke, es wird teuer für sie. Ich werde kein Großstadtleben vermissen. Und schon gar nicht einsam sein. Stachelschweine, mit ihren braun-weiß gestreiften Stacheln, sind oft viel drolliger als manche Anzug-Kostüm-Gesellschaft. Sie sehen putzig aus, klappern lustig mit ihren Stacheln, die eigentlich Haare sind und bis zu 40 Zentimeter lang werden können.
Ich sehe uns als unerschrockene Einsiedler, in tolldreisten Momenten gar als Jane und Tarzan. Lianen gibt es zumindest genügend auf dem Gelände. Die Frage ist ja nur, ob unsere Akrobatik-Künste dafür reichen.
Zwischen unseren Umzugskisten bekommen wir den Spott der Freunde nicht mit. Wir haben noch kein Telefon. Sie können uns derzeit nur via Busch-Trommel erreichen. Doch diese Kunst beherrschen sie nicht. Ist vielleicht gut so. Andernfalls würden wir vielleicht den Sturm zum lauen Lüftchen, die dunklen Wolkenberge zu kleinen Schäfchenwölkchen und die Eiseskälte zum milden Klima des Südens verklären.
Der Handyempfang ist ein Lotteriespiel. An guten Tagen haben wir für 30 Minuten einen guten Empfang. Mal morgens, mal mittags, mal abends.
Doch der Antrag für Telefon mit ADSL-Leitung ist gestellt. Sind ja nur zwei Kilometer Wald, die es zu überbrücken gilt. Wo ist das Problem?
Es ist ein Problem. Telecom Italia sieht sich außer Stande, eine unterirdische Leitung zu legen. Gnadenlos stellen sie bei der Kommune, nun zum dritten Mal, den Antrag, Holzpfähle in den Boden rammen zu dürfen und die Kabel lustig wie Lichterketten von Pfahl zu Pfahl aufzuhängen und, wo es zu beschwerlich ist, durchaus auch Baumkronen benutzen zu dürfen. Warum auch nicht? Schließlich sind ihre Pfähle nichts anderes als entrindete Baumstämme. So haben sie es in unserer Umgebung immer gemacht, so wollen sie es weiterhin machen. Basta. Dumm nur, dass die Kommune in der Jetzt-Zeit angekommen ist und nun darauf beharrt, dass neue Leitungen nur unterirdisch genehmigt werden. Da ist von Naturschutzgebiet die Rede und von möglichen Sturmschäden. Nun stehen sie sich unversöhnlich, sprich tatenlos, gegenüber und wir armen Tropfe hängen als hilflose Opfer im Netz zweier sich übertrumpfender Bürokratien.
Feiern wir also erstmal stille Weihnachten. Ohne Anrufe und Einladungen.
Mangels Tannen, es soll ja Zeiten geben, in denen es hier für diese Bäume zu warm ist, haben wir einen Ginster gefällt und mit roten Kugeln behängt. Sieht gut aus. Vielleicht ein neuer Trend? Im nächsten Jahr sprühe ich ihn vielleicht silbern oder golden an. Kerzen halten die zarten Ästlein natürlich nicht, auch nicht die winzigen für Kindergeburtstage. Aber eine rote Lichterkette, einst in Neapel erstanden, ersetzt den Kerzenschein mühelos. Man kann bei diesem Hightech-Produkt fünf Stufen einstellen: Einfaches Leuchten, Flackern in Zeitlupe, rhythmisches Flackern oder laufendes Licht, das die Kette wie eine Schlange durchläuft. Der Hit ist Stufe fünf. Alle Programme sind zusammengeschaltet und ersetzen mühelos das Silvester-Feuerwerk. Denn Raketen und Knaller sind in Italien für den privaten Verkauf verboten. So basteln sich Leute Jahr für Jahr ihre eigenen Feuerwerkskörper, die allerdings eher Sprengsätzen aus einer Hamas-Bauanleitung ähneln und leider immer wieder zum Verlust einiger Finger oder gar Hände führen.
Wir haben deshalb auch Silvester lieber unsere Lichterkette bestaunt statt mit Raketen zu zündeln und bis Mitternacht Backgammon gespielt. Rauschende Jahresendzeit-Fest, wie wir sie aus unserer Zeit in Köln, Bonn, Rom oder Brüssel kannten, gibt es hier nicht.
Waldbewohner, ob Wild- und Stachelschwein oder Aussteiger, gehören fast alle zur Fraktion „Igitt, traditionelle Feste!“ und gehen bewusst schon um 19 Uhr ins Bett, um ja nicht den Hauch von Festlichkeit zu spüren. Wie sagte meine Tante schon immer? „Der Mensch ist verschieden.“
Sozusagen zwangsweise ausgeruht, haben wir im neuen Jahr gebuddelt, gebuddelt und gebuddelt.
Es gibt eine wunderbar italienische Einigung mit der Telecom. Wir sorgen für das unterirdische Leerrohr und sie sind anschließend bereit, die Leitung zu ziehen.
Unsere Rettung war wieder einmal Enzo, besagter Bauer, der den Umzug mitmachte. Er ist wunderbarerweise ein Allround-Unternehmer und besitzt einen niedlichen Mini-Bagger. Er hob den Graben über zwei Kilometer aus, wir verlegten mit Freunden die Rohre und setzten alle 25 Meter
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