Landnahme
redete Bernhard nicht, ich hatte den Eindruck, dass es ihm gelang, die staatliche Aufsicht so weit zu umgehen, dass er genügend Aufträge unter der Hand erledigen konnte und daher, trotz des nicht sehr üppigen Gehalts eines Leiters der Tischlerei, kaum weniger als früher verdiente.
Bernhard und Friederike hatten eine große Tochter undeinen Sohn. Paul war ein Jahr jünger als Jenny, meine jüngste Tochter. Die beiden wuchsen gemeinsam auf und waren ständig zusammen. Wenn irgendwo in der Stadt eine Dummheit angestellt wurde, konnte ich darauf wetten, dass die zwei mit von der Partie waren oder den Streich sogar ausgeheckt hatten. Von der Schule hielten meine Töchter und Bernhards Kinder leider sehr wenig, sie kamen mit Ach und Krach jeweils in die nächste Klasse, und ich hatte Mühe, für die beiden eine Lehrstelle zu finden. Da ich keinen Sohn hatte, der das Geschäft übernehmen konnte, und Frauen für diese harte und körperlich schwere Arbeit ungeeignet waren, hoffte ich, dass eins der Mädchen mir einen tüchtigen Schwiegersohn bringt, dem ich dann meinen Sägeplatz übergeben könnte.
Paul, der Sohn von Bernhard, war ein Hallodri, der am liebsten den ganzen Tag mit seinen Freunden durch die Stadt zog und Dummheiten anstellte. Ich hatte ihn trotz allem gern, er war nicht auf den Mund gefallen, hatte Witz, und meine beiden Mädchen waren von ihm ganz hingerissen. Nach der Schule lernte er Tischler in dem Betrieb seines Vaters, er hatte sich diesen Beruf nicht ausgesucht, er wollte eigentlich irgendetwas mit Autos lernen, aber Bernhard hatte ihn schließlich überredet oder irgendwie genötigt, bei ihm die Lehre zu beginnen, und es wurde aus ihm ein handfester, brauchbarer Kerl, der seinen Beruf verstand und auf den man sich verlassen konnte. Mit Jenny war er weiterhin zusammen, und das war mir durchaus recht. Ich dachte, falls die zwei später einmal heiraten sollten, hätte ich den richtigen Mann für den Sägeplatz, denn in der Tischlerei, die früher einmal Bernhard gehörte, wurden inzwischen acht Tischler beschäftigt, so dass man nach Bernhard sicher einen Mann zum Leiter machen würde, der das richtige Parteibuch in der Tasche hatte. Paul jedenfalls hatte kaum Aussichten, den ehemaligen Betrieb seines Vaters zu übernehmen, und wäre sicher nicht unglücklich, wenn ich ihm meinSägewerk schenken würde.
Als Bernhard Haber vierzig wurde, war ich am Vormittag, es war ein freier Samstag, zu ihm gegangen, um ihm zu gratulieren und anzustoßen. Wir saßen zu zweit in seiner Gartenlaube, einem achteckigen Pavillon, den Bernhard sich das Jahr zuvor nach einem alten Stich in einem Bildband über Schlösser und Fürstenhäuser gezimmert hatte und in dem neben dem runden Tisch und den Bänken ein aus Feldsteinen gemauerter Grill stand, tranken ein Bier und sprachen über alte Zeiten. Plötzlich erschien Friederike aufgeregt bei uns und sagte, dass der katholische Priester Bernhard sprechen wolle. Ich machte noch einen Witz, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass Bernhard katholisch war, da er nie in die Kirche ging, als Pfarrer Geßling im Garten erschien. Wir stellten etwas verlegen die Bierflaschen ab, Herr Geßling gab Bernhard die Hand und gratulierte ihm zum Geburtstag, dann begrüßte er mich mit Handschlag.
»Darf ich Ihnen etwas anbieten, Hochwürden«, fragte Bernhard, »einen Kaffee oder ein Bier?«
»Das Bier nehme ich gern, werde es aber erst heute Abend auf Ihr Wohl trinken. Jetzt wäre mir ein Tee am liebsten.«
Friederike nickte aufgeregt und eilte davon, um Tee zu holen. Wir setzten uns an den runden Tisch, Pfarrer Geßling warf einen Blick über den Garten, lobte dann Bernhards Pavillon und sprach voller Bewunderung über die Ausführung und die handwerkliche Qualität.
»Es gefällt mir sehr. Ein kleines Haus hinterm Haus, ein Refugium, um sich zurückzuziehen und zu sammeln.«
Pfarrer Geßling schaute sich versonnen immer wieder das Holzhäuschen an.
»Wäre es denkbar, dass Sie für mich einen solchen Pavillon bauen? Er müsste natürlich kleiner sein. Nur für einen Menschen.«
»Natürlich, Hochwürden. Ich habe ein paar Fotos und ein paar Skizzen, die ich mir besorgt habe, als ich diesen Pavillon entwarf. Ich gebe sie Ihnen mit, und Sie suchen sich in aller Ruhe das aus, was Sie wünschen.«
»Entscheidend ist der Preis, Herr Haber. Sie wissen, die Kirche ist in unserem Land nicht sehr reich.«
»Darüber können wir reden, daran soll es nicht scheitern.«
»Das Holz
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