Landnahme
keine Erweiterung meines Geschäfts, und wenn Kunden mit eigenem Holz kamen, so hatten sie, so war es bei mir und allen mir bekannten Sägewerken üblich, beim Zuschnitt Handlangerdienste am Gatter zu verrichten, das ersparte mir zum einen Ausgaben für einen Gesellen, und zum anderen konnte es im Nachhinein keinen Streit geben, falls das zugeschnittene Bauholz andere als die erforderlichen Maße aufwies, da der Bauherr selbst auf dem Sägeplatz anwesend war und den Schnitt überwacht hatte. Meine Firma war also zu klein, um Begehrlichkeiten der Behörden zu wecken und unter die neuen staatlichen Verfügungen zu fallen. Ich galt als Unternehmer und musste daher die wahnwitzig hohen Steuersätze der privaten Handwerker zahlen, hatte die üblichen Benachteiligungen hinzunehmen, mit denen der Staat und der Rat der Stadt den privaten Erwerb behinderten, und musste mich darauf einstellen, dass meine beiden Töchter, Liane war damals gerade eingeschult, Jenny war erst vier,vermutlich nicht auf die Oberschule gehen durften und auf eine Universität, da der Nachwuchs der selbständigen Gewerbetreibenden, die Kulakenbrut, wie der Bürgermeister einmal spätabends im Adler sich über uns geäußert hatte, nicht gefördert werden sollte, doch da ich nur einen Angestellten beständig hatte, blieb ich von der staatlichen Beteiligung verschont, die für die Selbständigen im ganzen Kreis und im Bezirk und wohl auch darüber hinaus obligatorisch wurde.
Haber musste sich der neuen Anordnung fügen. Es gelang ihm lediglich, als Leiter seines eigenen Betriebes angestellt zu werden, wenn auch sein Geschäft nun Guldenberger Tischlerei hieß und sein eigener Name nur noch in kleiner Schrift auf dem Holzschild erschien und mit dem Wort ehemals versehen. Von unserem Klub traf es vier Geschäftsleute. Neben Haber waren Pichler, Wessenburg und Plehnert betroffen, die allesamt ihre Unternehmen nun mit staatlicher Beteiligung fortzuführen hatten.
Plehnert, dem die Polsterer- und Stuhlfabrik in vierter Generation gehörte, weigerte sich, im eigenen Betrieb als angestellter Direktor weiterzuarbeiten, zumal sein Sohn die Fabrik nicht übernehmen wollte, sondern nach Berlin gegangen war und dort, nicht eben legal, mit gebrauchten Autos handelte und dabei, wie wir hörten, überaus erfolgreich war. Den angebotenen Posten lehnte Plehnert ab und handelte stattdessen eine Position aus, die eigentlich nicht vorgesehen war, er wurde Seniorchef, erhielt ein kleines Gehalt und ging jeden zweiten, dritten Tag für ein paar Stunden in seine ehemalige Fabrik, um nach dem Rechten zu schauen und der neuen Leitung ein paar Hinweise zu geben.
Alle vier blieben weiterhin im Kegelklub. Was ihnen an Selbständigkeit genommen war, wurde ihnen durch Privilegien ersetzt. Pichler hatte, seitdem ihm der Schwarze Adler nicht mehr allein gehörte, kaum noch Probleme mit derWarenbelieferung. Sein Hotel und Restaurant waren den staatlichen Hotels gleichgeordnet, und er bekam dieselben Listen für seine Bestellungen wie die großen Häuser, und auf denen waren ein paar Produkte aufgeführt, von denen er früher nicht mal träumen konnte. Plehnerts Fabrik war bald Teil eines Kombinats, das für die Republik und den Export produzierte. Wessenburgs Verlag wurde aufgelöst, dafür bekam seine Druckerei ein paar Jahre lang Aufträge aus dem gesamten Bezirk, bis sie Anfang der achtziger Jahre liquidiert wurde, da die Maschinen verschlissen waren und erneute größere Investitionen sich bei der kleinen Kapazität seiner Druckerei nicht lohnten. Habers Tischlerei jedoch erhielt so viele Aufträge, dass er seinen Betrieb fast jährlich vergrößern musste. Er benötigte mehr Holz, als ich zu liefern imstande war, und bestellte nun zusätzlich bei anderen Plätzen, und er bekam Hölzer geliefert, die ich nie zuvor zu sehen bekommen hatte.
In unserem Klub spotteten wir zwar über die vier, denn außer Haber waren die anderen drei alle Mitglieder einer der Parteien, und dass es ausgerechnet sie getroffen hatte, amüsierte uns, aber gelegentlich, wenn wir über die schlechte Belieferung klagten und die vier uns dann lächelnd anhörten und vielsagend schwiegen, schien es uns, als wären es vielleicht doch nicht sie, die man über den Tisch gezogen hatte.
Mein Verhältnis zu Bernhard Haber wurde von diesen Ereignissen und Umstellungen nicht berührt, wir hatten weiterhin einen guten und freundschaftlichen Umgang, und die Familien sahen sich nach wie vor regelmäßig. Über Geld
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