Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Landnahme

Landnahme

Titel: Landnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
Vom Netzwerk:
Brust, und Sekunden später fanden wir uns auf dem Teppich wieder, rissen uns die Kleider vom Leib und liebten uns heftig und rasch und, jedenfalls was mich betrifft, ohne Leidenschaft. Es war einfach passiert und hatte keine Bedeutung. Friederike heulte danach wieder, diesmal nicht wegen dem Autobetrüger, sondern weil sie ihren Bernhard betrogen hatte, und ich hatte eine Stunde zu tun, um sie zu beruhigen. Ich versicherte ihr, dass Bernhard nichts erfahren werde, wir beide diesen Moment unserer Willensschwäche in den tiefsten Tiefen unserer Herzen versiegeln und begraben sollten, der an unserer Freundschaft und dem nachbarlichen Verhältnis nichts ändern könnte.
    Und so kam es auch. Gelegentlich errötete Friederike, wenn sie mich sah oder wenn das Gespräch bei einem der wechselseitigen Treffen unserer Familien auf Seitensprünge und eheliche Treue kam, doch das kleine Geheimnis zerstörte nicht unsere gute Beziehung, vielmehr bewog es Friederike, sei es aus Dankbarkeit für meine Verschwiegenheit oder weil sich aus dem intimen Beisammensein für sie eine weitere Zugehörigkeit ergab, mich stets aufmerksam und zuvorkommend zu umsorgen, fast so wie ihren Bernhard.
    Mir bedeutete die kleine Geschichte mit ihr nichts. Auf mich wirkte Friederike nicht attraktiv, sie war für mich Bernhards Frau und insofern eher ein Neutrum als ein anziehendes weibliches Wesen. Zudem war und bin ich ein monogamer Typ, die Frauen, mit denen ich geschlafen hatte,ließen sich an den Fingern meiner Hände abzählen, und keines dieser außerehelichen Abenteuer verdiente den Namen Affäre oder Seitensprung. Es hatte sich jeweils nur so ergeben, ohne dass ich sonderlich interessiert daran gewesen war. Vielleicht war alles ein Mangel an Gelegenheiten, denn auf einem Sägeplatz hat man nun einmal ausschließlich mit Männern zu tun. Pichler, dem der Schwarze Adler gehörte, erzählte gern und viel über seine Liebesabenteuer. In einem Hotel trifft man täglich wildfremde Frauen, die diesen und jenen Wunsch haben und zur Nachtzeit noch ein paar andere, da ist es sozusagen natürlich, dass sich leicht ein Flirt ergibt und vielleicht etwas mehr, es ist gewissermaßen berufsbedingt. Auf einem Sägeplatz dagegen kann einem ein Baumstamm auf die Füße rollen oder etwas Ähnliches zustoßen, das sind dort die einzigen unerwarteten und überraschenden Ereignisse. Es ergaben sich für mich eben keine Gelegenheiten, und um aktiv solche herbeizuführen und zu betreiben war ich nicht interessiert genug. Es ist für mich keine Frage von ehelicher Treue, es ist eher eine Veranlagung zur Monogamie. Ich war mit Veronika verheiratet und hatte keine darüber hinausgehenden sexuellen Bedürfnisse. Und die lächerlich kleinen Geschichten, die mir zustießen, wie jene mit Bernhards Frau, hatten nichts mit Erotik und Sex zu tun, das war lediglich ein bisschen Biologie, ein mutwilliges Unternehmen der Natur, an dem ich recht eigentlich fast nicht beteiligt war. Meine Versicherungen gegenüber Friederike, über alles den Mantel des Schweigens zu breiten, waren vollkommen ehrlich, da Friederike mir nichts bedeutete und ich die lächerliche Kopulation längst vergessen hätte, wenn mich nicht immer wieder ihr Erröten oder ein verschreckter Blick darauf stießen.
    Zwei Jahre, nachdem Beuchlers Werkstatt abgebrannt war, Haber hatte die Zeit genutzt, seine Werkstatt um einen Anbau, ein Heizungshaus und zwei Mann vergrößert und war zur wichtigsten Tischlerei des Ortes geworden, gab espolitische Veränderungen, die vor allem unseren Klub der Aufrechten, die Industrie- und Handelskammer, wie uns der Bürgermeister abfällig nannte, betrafen. Eine neue Kampagne lief in der gesamten Republik gegen Selbständige und Unternehmer. Die privatkapitalistischen Betriebe, wie es hieß, sollten nun in die neue Zeit geführt werden, und das bedeutete, sie wurden kalt enteignet. Man setzte ihnen vom Staat ausgesuchte Leiter oder Kontrolleure in die Firma, der halbe Betrieb gehörte fortan dem Staat, und alle Selbständigen mussten zum Hohn auch noch unterschreiben, dass diese Umwandlung ihrer Firma in einen halbstaatlichen Betrieb auf freiwilliger Grundlage erfolgt sei und auf Antrag des jeweiligen Unternehmers.
    Ich hatte zu der Zeit noch immer nur einen einzigen Angestellten, Hubert, die anderen Leute, die ich beschäftigte, waren Hilfskräfte, die ich für Wochen unter Vertrag nahm, denn das staatlich erteilte Holzkontingent, das mir genehmigt und geliefert wurde, erlaubte

Weitere Kostenlose Bücher