Landnahme
ungestört kegeln und miteinander reden, und uns allen war geholfen.
Haber heiratete Mitte der sechziger Jahre seine Freundin,mit der er schon ein paar Jahre zusammenlebte, und kaufte zu dieser Zeit das Grundstück neben meinem Haus am Neumarkt. Auf seinem Grundstück stand eine alte Villa aus dem vorigen Jahrhundert, in der seit dem Krieg Umsiedler gewohnt hatten oder vielmehr gehaust, denn sie hatten dem alten Gebäude den Rest gegeben. Als Haber das Grundstück kaufte, bekam er die Villa kostenlos dazu, denn sie war eine Ruine. Fenster und Dielen waren herausgebrochen, und das Dach hatte so viele Löcher, dass der gesamte Dachstuhl erneuert werden musste. Haber war entschlossen, die Villa wieder herzurichten. Ich sagte, dass ein Abriss und Neubau ihn billiger kommen würde, ihm jedoch gefiel das alte Haus mit seinen zwei Erkerzimmern und der großen Eingangshalle, der gedrehten Freitreppe zum Flussufer hin und dem Tonnengewölbe des Kellers, und da er Handwerker war und das meiste selber machen konnte, schreckte ihn nicht das Ausmaß der Arbeit, vielmehr freute er sich am Fortgang des Ausbaus, zufrieden mit der eigenen Leistung und in Erwartung der Fertigstellung. Ich lieferte ihm das Holz für den Dachstuhl und schnitt es ihm zu, stand ihm darüber hinaus gut nachbarlich zur Seite und half, wo es nötig war. Nach achtzehn Monaten erstrahlte die Villa im alten Glanz, es war ein gediegenes Gebäude geworden und das am besten restaurierte in ganz Guldenberg, schöner als die Bürgerhäuser am Markt und imposanter als der protzige Neubau, den sich der Viehdoktor hinter der Gärtnerei hatte errichten lassen.
Zur Einweihung seines Hauses waren außer seiner Verwandtschaft sein Freund und Altgeselle Hermsdorf eingeladen sowie meine Frau und ich. Seitdem trafen unsere Familien sich häufiger, die Frauen freundeten sich an, berieten und halfen sich bei der Gestaltung des Gartens und schmückten gemeinsam unsere Häuser zu den verschiedenen Feiertagen.
Friederike, Habers Frau, war eine junge und etwas naivePerson, die, bevor sie die Stelle aufgab, um sich ganz ihrem Mann und ihrem Haus zu widmen, als Köchin im Adler gearbeitet hatte. Sie kam vom Dorf, war von kräftiger Statur, äußerlich reizlos und ohne jeden Arg. Wenn man einen Scherz mit ihr machte, nahm sie die Bemerkung erstaunt und gläubig zur Kenntnis, und man musste ihr den Spaß erklären, den sie ansonsten als ernsthafte Information wertete. Das Schönste an ihr war die grenzenlose Bewunderung ihres Mannes, an dessen Lippen sie hing, und der für sie, zusammen mit ihrer prächtigen Villa, die Erfüllung all ihrer Lebensträume bedeutete. Ich habe einmal mit ihr geschlafen, ein einziges Mal, und es ergab sich irgendwie, obwohl wir beide nicht sonderlich darauf aus waren. Sie kam an einem späten Nachmittag in mein Haus gelaufen, um Veronika, meine Frau, zu sprechen. Ich sagte ihr, dass Veronika erst in der Nacht aus Leipzig zurückkomme und bat sie herein, da sie völlig außer sich und aufgelöst schien. Sie erklärte umständlich und immer wieder unterbrochen von Tränen und Versicherungen der Liebe zu ihrem Mann, dass sie vertrauensselig einem Betrüger aufgesessen sei, der ihr einen alten Ford besorgen wollte, ein Auto, von dem ihr Bernhard träumte. Sie hatte eine erhebliche Anzahlung geleistet in der Gewissheit, dass Bernhard, der öfter von diesem Wagen gesprochen hatte, die Kaufsumme gern bezahlen und ihr die Anzahlung erstatten werde. Der Anbieter des Wagens ließ sich zu dem vereinbarten Termin nicht sehen, seine angegebene Adresse war falsch, es gab wohl die Straße in Leipzig, doch kein Haus mit einer solchen Nummer, und sein gewichtig aussehender Betriebsausweis war gefälscht, er arbeitete nicht in dem Werk. Sein Name war dort bekannt, da sich bereits wiederholt getäuschte Autokäufer in der Betriebsleitung gemeldet und nach ihm gefragt hatten.
Ich versuchte, Friederike zu beruhigen, sagte ihr, dass Bernhard ihr dafür sicher keine Kränze winden werde, abernach einem reinigenden Gewitter komme der Haussegen wieder in Ordnung. Sie jedoch wollte unter keinen Umständen ihrem Mann von ihrer Dummheit und dem Betrug erzählen, und so bot ich ihr an, das benötigte Geld auszulegen. Und dann passierte es halt, ohne dass ich es gewollt hatte. Sie dankte mir und umarmte mich, ich streichelte ihre Schultern, sie küsste mich leicht auf die Wange, und ich erwiderte ihren Kuss etwas deutlicher. Sie lag plötzlich in meinen Armen, ich streichelte ihre
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