Landpartie mit drei Damen
1
»Bedaure«, sagte Noel, »nicht hinreichend attraktiv.«
Seine Stimme klang ungewöhnlich fest und endgültig, und mit einer Entschiedenheit, die bei ihm selten war, legte er den Hörer auf. Er lehnte sich zurück. »Das war das letzte Mal«, dachte er. Nie wieder, außer vielleicht im Hinblick auf die Erbinnen, nach denen er nun Ausschau halten wollte, müsste er lange und öde Gespräche mit den Worten »nicht hinreichend attraktiv« beenden.
Nun, da er das Büro für immer verlassen würde, hatte er keine große Eile aufzubrechen. Obwohl Freitagabend war, stürzte er nicht wie sonst hinaus auf die Straße. Er blieb vielmehr ruhig sitzen und schaute sich zufrieden in dem Raum um, der in den letzten beiden Jahren sein Gefängnis gewesen war. In der himmlischen Gewissheit, dies alles nie wieder zu sehen, konnte er ganz entspannt die getönten Fensterscheiben (ein fröhlicher Bernsteinton, mit vielen Luftbläschen wie Champagnerperlen) und die schweren Eichenmöbel betrachten, die einen wunderbar passenden Rahmen abgaben für die Liebenswürdigkeiten von Miss Clumps, der hübschen Stenotypistin, Miss Brisket, der unscheinbaren Stenotypistin, und Mr Farmer, dem Buchhalter. Diese drei waren in den letzten beiden Jahren seine Mitgefangenen gewesen, und er hoffte aufrichtig, ihnen nie wieder zu begegnen. Er verabschiedete sich jedoch ausgesprochen herzlich von ihnen, nahm Hut und Regenschirm und trat dann, reich und frei, hinaus auf die Straße.
Da er seit jener glücklichen Fügung noch nicht die Zeit gefunden hatte, aus seiner trostlosen Bude in der Ebury Street auszuziehen, lenkte er seine Schritte wie gewohnt dorthin. Dann rief er Jasper Aspect an, obwohl er genau wusste, dass das ein Fehler ersten Ranges war. Mittellose junge Männer, die gerade von einer hübschen, aber doch bescheidenen Erbschaft erfahren haben, können nichts Dümmeres tun, als Jasper Aspect anzurufen. Noel, seit vielen Jahren mit Jasper befreundet, wusste, dass er sich sehr unklug verhielt. Dennoch folgte er einem unbezwingbaren Impuls und griff nach dem Telefon. Es entspann sich folgendes Gespräch:
»Hallo, Jasper?«
»Mein Lieber, gerade wollte ich dich anrufen.«
»Ach, was hast du denn heute Abend vor?«
»Ich glaube, ich würde mich gern von dir zu einem netten kleinen Dinner einladen lassen.«
»Na schön. Ich wollte dich sprechen. Wo wollen wir essen – im Boulestins? Treffen wir uns dort um acht?«
»Aber du weißt, ich hab kein Geld.«
»Schon gut«, sagte Noel. Er würde die fantastische Nachricht für sich behalten, bis er die Ungläubigkeit und den Abscheu sehen konnte, die zweifellos auf Jaspers ehrliches Gesicht treten würden, wenn er davon erführe. Jasper wies noch einmal darauf hin, dass er kein Geld habe, wurde abermals beruhigt und legte auf.
»Das ist ja alles sehr mysteriös«, sagte er, als sie sich sahen.
»Wieso?«, fragte Noel.
»Mein Lieber, man wird nicht jeden Tag in der Woche von dir zum Essen eingeladen, und noch dazu in ein so teures Restaurant. Warum hast du ausgerechnet mich eingeladen? Ich finde das wirklich sehr verwirrend.«
»Och, ich wollte mit dir sprechen. Ich brauche deinen Rat in einer bestimmten Sache, und irgendwo muss man ja schließlich essen. Warum also nicht hier.« Er zupfte an seinem Einstecktuch, um wie zufällig ein Bündel Zehn-Pfund-Scheine herauszuziehen, das er lässig wieder einsteckte.
Jaspers Gesichtsausdruck änderte sich jedoch nicht in der erhofften Weise. Er bestellte einfach noch einen Champagnercocktail. Als der gebracht wurde, sagte er: »Also, auf den Knast, mein Lieber, ich hoffe, du hast es gemütlich dort, du kannst mich zwischendurch gern besuchen, ich finde überhaupt nichts dabei, wenn Freunde von mir einsitzen.«
»Ich weiß nicht, wovon du redest«, sagte Noel kühl.
»Nein? Es ist doch offensichtlich, dass du ein krummes Ding gedreht hast. Und vermutlich soll ich dir helfen, mit der ganzen Kohle zu entwischen. Also, ich schlage vor, wir machen halbe-halbe und tauchen beide ab. Na, einverstanden?«
»Nein.«
»Zunächst einmal musst du mir ganz offen sagen, ob du gesucht wirst. Ich selbst war in Paris GESUCHT, und nirgendwo sonst wollte man mich haben. Was das Gesuchtwerden angeht, kenne ich mich also aus.«
»Mein Lieber«, sagte Noel freundlich, »ich fürchte, du hast da etwas missverstanden.«
»Aber du wolltest doch meinen Rat.«
»Ja, ich dachte, du könntest mich mit einem reichen Mädchen zusammenbringen, das mich gern heiraten
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