Langenscheidt Arzt-Deutsch/Deutsch-Arzt
Seefahrern als Skorbut vor. Heutzutage schlucken wir so viel überschüssiges Vitamin C, dass es gleich wieder ausgepinkelt wird. Deshalb gehen viele Urinproben glatt als Multivitaminsaft durch!
Wirkungseintritt
Wirkungseintritt und Wirkdauer werden plötzlich interessant, wenn man beispielsweise die Einnahme von Viagra auf der einen Bettseite mit dem Wirkungseintritt der Kopfschmerztablette auf der anderen Seite koordinieren will.
Generikum
Nachahmerprodukt. Gleiche Substanz, gleiche Wirkung, aber oft für einen Bruchteil des Preises, weil keine Kosten für Forschung und Entwicklung anfallen.
»Aut idem« (oder das Gleiche) auf dem Rezept erlaubt dem Apotheker die »Substitution«, den Austausch eines Medikaments mit einem Nachahmerprodukt.
Art der Anwendung
Oral auch: p. o. , per os (durch den Mund). Zähne zusammenbeißen und Mund auf!
Anal auch: supp. , weil Zäpfchen auf schlau Suppositorium heißt. Es mag Menschen geben, die Zäpfchen supp -er finden. Der Grund für Zäpfchen ist übrigens keine sadistische Veranlagung der Zunft. Viele Medikamente werden im Magen zersetzt und unwirksam. Über die Darmschleimhaut kommt die Substanz dagegen sicher ins Blut. Und über diesen Weg dringt kein Zäpfchen bis zum Magen vor, selbst wenn Sie es mit Schwung reinschieben.
VORSICHT Anal-getikum heißt nur Schmerzmittel. Nichts weiter. Tabletten aus Unwissenheit zu Zäpfchen zu machen, kann wiederum Schmerzen verursachen. Ein Teufelskreis. Gut, dass wir darüber geredet haben.
Dosis
Ein beliebtes Missverständnis: Viel hilft viel! Die Dosis macht das Gift. Auch mit Wasser kann man sich umbringen; alles nur eine Frage der Menge.
MERKE Überdosen sind leichter in den Körper hineinzubekommen als wieder raus! Im Notfall kann die Ausscheidung in jede Richtung beschleunigt werden. Ersparen Sie sich und mir die Details.
Manche Tabletten muss man vor, während oder nach den Mahlzeiten einnehmen. Wenn man erst mal Herzpatient ist, so mit 30/40 Tabletten pro Tag, dann heißt es: Nehmen Sie die Mahlzeit zwischen den Tabletten ein!
Wechselwirkung
Der wichtigste Teil und potenziell der gefährlichste. Besser einmal zu viel als zu wenig dem Doktor aufzählen, was man alles schon nimmt. Denn wenn Medikamente aufeinandertreffen, ist das wie bei Talkshows im Fernsehen: Je mehr Beteiligte, desto unklarer ist, was dabei herauskommt.
Wichtige Medikamentengruppen
Anabolika Machen Männer männlicher. Frauen auch.
Antibiotika Gegen alles, was lebt. Sie sind inzwischen etwas selektiver geworden. Die Bakterien leider auch.
TIPP Die Einzahl von Antibiotika ist Antibiotik um . »Ich nehme ein Antibiotika« schmerzt und disqualifiziert!
Antiphlogistika Entzündungshemmer. Rheumamittel.
Antipyretika Wörtlich: Feuerlöscher. Helfen gegen Fieber.
Aphrodisiaka Immer mit »ph«, nie mit »f«. Hat nichts mit potenten Männern in Afrika zu tun, sondern mit der Liebeslust-Göttin Aphrodite. Die Mittelchen sind meist teure Placebos.
MERKE Nashornpulver ist beispielsweise nichts als Keratin. Das hat jeder an seinen Fingernägeln. Lasst die armen Tiere leben. Ihr Horn macht so spitz wie Nägelkauen!
Benzodiazepine Schlafmittel, Beruhigungsmittel, Valium und Konsorten. Sie werden auf Station, in Heimen und Allgemeinpraxen wie Smarties ausgeteilt und führen in die versteckte Sucht der Deutschen. Mehrere Millionen schlucken das Zeug täglich. »Benzos« machen müde, lahmarschig und entspannt.
Dass sich keiner über ihren Missbrauch aufregt, ist Teil ihrer Wirkung.
VORSICHT Kurzfristig für eine Operation sind Benzos super, aber spätestens nach zwei Wochen: Finger weg!
Laxanzien Abführmittel. Der Deutschen höchstes Gut ist ihr Stuhlgang. Kurzfristig sind Hilfsmittel O.K., langfristig machen sie den Darm kaputt, und man kommt gar nicht mehr zu Potte.
Anti-Tussiva Hustenmittel. Wörtlich heißt Tusse eigentlich nur: »der letzte Husten«!
Placebo – die größte Wirkung von allen
Placebo heißt wörtlich: »ich werde gefallen« und bezeichnet das spannende Phänomen, dass Medikamente helfen, auch wenn sie gar keine sind.
Sie haben Kopfschmerzen, nehmen eine Tablette, und der Schmerz lässt nach. Jetzt war in der Tablette aber gar kein Wirkstoff, sondern »nur« Traubenzucker. Der Wirkstoff steckte im Ritual und der Zuwendung. Die Vorstellung, dass es uns gleich besser gehen wird, lässt es uns gleich besser gehen. Rund 40 % der Wirkung einer Arznei ist auf diese seelische Komponente zurückzuführen. Testet man »echte« Medikamente
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